Hayley Williams – Petals for Armor II

von am 28. April 2020 in EP

Hayley Williams – Petals for Armor II

Dass Haley Williams jedwedes (überraschende) Momentum sowie die euphorische Vorfreude auf ihr erstes Soloalbum zugunsten einer relativ flächendeckenden, schubweisen Präsenz aufgegeben hat, bedeutet im Fall von Petals for Armor II dennoch auch eine größere stilistische Spannweite und auch qualitative Ambivalenz.

Man muß die Veröffentlichungspolitik der Paramore-Sängerin also weiterhin nicht verstehen oder gutheißen. Warum sie nicht einfach drei EPs veröffentlicht, anstelle zwei Drittel ihres Album als Kurzformate vorauszuschicken, bleibt angesichts des auf Petals for Armor II aufgegebenen roten Fadens sowie dem Verlust eines übergeordneten Spannungsbogens nun jedenfalls endgültig offen.
Vielleicht wollte die 31 Jährige und ihr Management ja zumindest ein bisschen aus Alben wie ††† oder Indie Cindy lernen, die dann als reine Sammlungen vorangegangener EPs für sich keinerlei Mehrwert boten – doch ob die fünf noch übrig bleibenden, bisher unveröffentlichten Songs des (die bisher bekannten Nummern chronologisch anordnenden) Petals for Armor das bisherige Niveau der beiden Quasi-Teaser-Werke halten können, beziehungsweise es eventuell gar zu toppen vermögen, ist dann aber schon jetzt irgendwo spannender als die zusammenhängende Album-Erfahrung.

Gemessen am Auftreten von Teil 1 bietet Part II ungeachtet dessen zudem eine dezente Kurskorrektur, da nur das überragende Roses/Lotus/Violet/Iris wieder eindeutig zum Radiohead-meets-St.VincentFlair zurück findet: Williams gleitet jazzig über das rhythmusbasierte Spiel der fließenden Nummer, ätherisch und elegant, unaufgeregt hibbelig, wunderbar anmutig – und laut den Linernotes des Albums mit boygenius auf der Gästeliste.
Abseits davon zeigt die Songsammlung allerdings keine restlos klare Linie, wirkt ein wenig unausgegoren und vermengt die einzelnen Passagen seiner Kompositionen mit wechselnder Qualität, kategorisch unentschlossen. Dead Horse ist etwa ein betont lebendiger, tropikaler kleiner Dance-Popsong, der irgendwo zwischen Dua Lipa und Katy Perry einen für die EP symptomatischen funky Bass installiert. Gerade in seinem superinfektiösem Refrain funktioniert das herrlich locker und gelöst feiernd als catchy Singalong – Williams Stimme passt zudem rundum zur optimistischen Ausgelassenheit, auch wenn die Sache textlich ein bisschen plakativ bleibt.

Over Yet bietet dagegen einen umwerfenden, markig mit trockenem Tieftöner auftrumpfenden Refrain, einer Carly Rae Jepsen würdig gar, der seine Klasse jedoch einem deplatzierten, so flotten wie uninspiriertem Synthie-Pop-Einerlei drumherum opfert. Im Gegensatz dazu verschwendet Why We Ever die schwerelosere Dreampop-Gangart seiner tollen, ruhigen Strophe und der famosen, fragil-minimalistischen, so verletzlichen Bridge, weil Williams keinen relevanten Chorus findet.
Das vorsichtige My Friend blüht dazwischen behutsam etwas energischer träumend auf, irritiert mit einem seltsam verpeilt wirkenden 80er-Zwischenspiel mit verquerem Rhythmus, ist aber vor allem angenehm zu hören und auch ein bisschen belanglos.
Das zeigt: Nicht erst die finale Studioplatte hätte insofern eine strengere Selektion verdient gehabt, eine entschlacktere Spielzeit und ein ausgewogeneres Songwriting. Und doch blickt man den ausstehenden fünf Nummern des Projektes (im Gegensatz zum kommenden Gesamtpaket) vielleicht nicht mehr euphorisch, jedoch auf jeden Fall neugierig und erwartungsfroh entgegen. Denn ganz nüchtern betrachtet: Hayley Williams wird über den Zeitraum mehrerer Monate eben 15 Nummern veröffentlicht haben, die unter dem Strich, das weiß man dank der Episode Petals for Armor II schon jetzt, über den Erwartungen ablieferten, in Summe aber wohl nie mehr als die Summe ihrer Teile sein werden.

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