Joey Cape – A Good Year to Forget

von am 27. September 2021 in Album

Joey Cape – A Good Year to Forget

Joey Cape reflektiert das vergangene A Good Year To Forget auf (musikalisch) so versöhnliche Weise, dass man fast vergessen könnte, dass die Dinge im aktuellen Jahrgang nur bedingt besser läuft: Zumindest abseits der Pandemie ist da durchaus Licht am Ende des Tunnels.

Das sechste Soloalbum des Lagwagon-Boss „was written during a year that saw him lose his father, separate from his wife of 20 years, contract COVID, and move back in with his parents as a result of a livelihood lost“, und verarbeitet diese schwerwiegende Thematik aber auf eine erstaunlich unaufgeregte Weise, melancholisch tröstend, wenn man so will. Cape setzt seine Stimme im heimeligen Umfeld vor einem gefühlvollen Singer-Songwriter/ folkrockigen Acoustic-Setting in Szene, begleitet sich selbst sporadisch mit seinem neu erworbenen und eher zweckmäßigen als virtuosen (aber damit ideal zum einnehmenden, charismatischen Charakter der Platte passenden) Spiel als eigene Rhythmussektion – selten durch ein paar Klaviertupfer oder sorgsame Backing-Harmoniegesänge in den zurückgelehnten Arrangements verstärkt.

A Good Year To Forget lebt ebenso stark von der in dieser simplen Klarheit erzeugten Atmosphäre und zerbrechlich-kämpferischen Stimmung, wie von Capes vertrauten Melodien, die stets etwas zeitloses, nostalgisches an sich haben – als würde man sie schon lange kennen, nur vergessen (aber nicht notwendigerweise vermisst) haben, und nun wieder ein bisschen ins Herz schließen. Friedvoll und pragmatisch, zuverlässig und angenehm, im besten Sinne unspektakulär, höchstens auf stille Weise aufwühlend. Auch wenn dies phasenweise eine etwas gleichförmig plätschernde Nebensächlichkeit ohne Intensität meint, die nur begrenzt hängen bleibt.
Doch nicht nur in It could be real bekommt Cape den nötige Schlenker hin, um sein Songwriting nicht an die Gefälligkeit zu verlieren, sondern der schon auch ein bisschen wohligen Gefälligkeit das nötige Quäntchen Relevanz in der Eingängigkeit zu verleihen.

Dazu kommt die Inszenierung, die stets eine wärmende Nähe zum Geschehen bietet. Im leise und vorsichtige klatschenden Highlight The poetry in our mistakes etwa lässt sich die wunderbar temperierte Produktion besonders schön bemessen, wenn jedes Element von A Good Year to Forget seinen verdienten, unaufdringlichen Raum bekommt, sorgsam und natürlich ausgeleuchtet, sogar ein bisschen kuschelig.
Ja, diese Platte soll nämlich nicht nur (textliche) Katharsis, sondern auch (musikalische) Wohlfühlzone sein – und diese Geborgenheit findet im bittersüß schunkelnden Walzer der Schönheit Fictional einen unverbindlichen Höhepunkt, der symptomatisch einen weniger nachhaltigen Eindruck hinterlässt, als das vergangene Jahr an sich – sich dies aber angesichts der Umstände nicht als Vorwurf zu Herzen nehmen muss, sondern ein bisschen oprimistisch nach vorne blicken lässt.

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