Johanna Hedva – Black Moon Lilith in Pisces in the 4th House

von am 25. Februar 2021 in Album

Johanna Hedva – Black Moon Lilith in Pisces in the 4th House

Die Katharsis zwischen Gitarre und Stimme als düstere Liebesgeschichte: Johanna Hedva verarbeitet den Tod ihrer Mutter auf dem strukturoffenen Black Moon Lilith in Pisces in the 4th House.

Irgendwo zwischen LINGUA IGNOTA und Sunn O))) (passenderweise kümmerten sich unter anderem auch Khanates James Plotkin und Randall Dunn um den Aufnahmeprozess) entziehen sich die 43 Minuten der exakten Kategorisierung, sind ebenso Drone wie Blues wie Avantgarde wie Doom und Singer Songwriter-Skelette in der finsteren Dunkelheit, die als „solo electric guitar and voice performance“ im minimalen Soundkostüm durch kunstvoll-prätentiöse Hintergründe ausgeschmückt wird: „Informed by Korean shamanist ritual and the Korean tradition of P’ansori singing (which demands rehearsal next to waterfalls, in order to ravage the vocal cords), as well as by Keiji Haino, Diamanda Galás, and Jeff Buckley, this performance—termed “intimate metal” by a fan—is a grief ritual for my mother, who was a Pisces“.

Ein Unterfangen, das erahnen lässt, dass das dabei beschworene Material als tatsächlich live erlebte Performance ergiebiger funktionieren würde, denn auf Tonträger konserviert – und gerade eingangs zudem seine Schwierigkeiten hat, eine impulsiv gemeinte Emotionalität ohne verkopft Verkrampfung zu artikulieren.
Eine Interpretation des Traditionals O Death spielt seine unkonventionell sinnierende Meditation mit scharfkantiger Gitarre, die sich auch am Noiserock oder Postpunk wohl fühlen könnte, hier aber im fahrig zum Postrock schielt. Hedva singt dazu exaltiert und operettenhaft, ein bisschen wie Kristin Hayter, manchmal gespenstisch schön in ihrem eigenen Märchen verloren, manchmal theatralisch gestikulierend. Der Song variiert Tempo und Dynamik, wirkt aber stets ein bisschen unausgegoren und ziellos, nicht intuitiv seine Richtungen wechselnd, sondern wahllos seine Absichten wechselnd. Der Sound positioniert sich dazu frustrierend: Die von Verstärkern und Lautstärke gefressen werden müssenden Szenen nehmen nicht den Raum und das nötige Volumen ein, wirken zu dünn; die schnittig attackierenden dafür nicht radikal genug. Zwischen den Stühlen ist die Seance so nicht erschöpfend, der Zuhörer bleibt außen vor, die transzendentale Physis fehlt.
Wash pendelt melancholischer, plätschert, platzt dann stichelnd im Feedback auf und macht unbeeindruckt als geisterhafte Verführung am Abgrund weiter. Das hat etwas so unverbindliches, agiert erst nicht plättend und dann nicht dreckig genug, erzeugt keine aufwühlende Intensität, es fehlt das fatalistische Momentum eines schwarzen Loches.

Danach aber findet Hedva auf Black Moon Lilith in Pisces in the 4th House allerdings immer deutlicher zu sich, schöpft das Potential ergiebiger – und vor allem: erfüllender – ab. Family ändert dafür den Rahmen, indem Hedva die Strukturen konventioneller an den Alt-Country und sakralen Western heranführt, wehklagende Melodien als Leitfaden nimmt und in etwa dort agiert, wo Emma Ruth Rundle vage an der Homerecording-Psychose schrammen würde. Taking is the Same as Giving behält dieses Weg nicht nur bei, sondern vertieft ihn. Es wirkt, als würden konturlose Keyboardflächen und eine unorthodox fiebernde Violine von Pauline Lay die Texturen auskleiden. Diese Elemente verleihen dem Klagelied eine erhebende Basis, kleiden das Szenario aus, erschaffen einen halluzinogenen Hybrid des Dark Folk.
2 Coins (Tears Are What God Uses to Lubricate Its Big Machine of Nothing) findet seine Balance dafür zwischen präziser nocturaler Klarheit und einem fiesem Bratzen, stellt sich wie eine Sumac-Bestie vor, die erst zum Jam und dann zur Einkehr überredet wird, ätherisch schwelgend. Hedvas Stimme drängt irgendwann alles andere von der Bühne, zelebriert die neu gefundene klare Linie.
Spätestens mit Mary (God is an Asphyxiating Black Sauce) bietet sich Hedva damit auch als potente Boris-Kooperationspartnerin an, wenn der Closer der Platte ambient geboren wird, den Drone endlich so staubig knisternd zum physischen Element im Rausch erklärt. Nachdem der Song spät aber doch auch noch eine Stimme erhält, Hedva in Lagen aus Hall rezitiert und man sich in den Gefilden von Puce Mary oder Pharmakon wähnt, ist das vielleicht kein sonderlich originäres Amalgam, doch eines, dessen Atmosphäre von innen auffrisst. Dann ist Black Moon Lilith in Pisces in the 4th House auch so faszinierend, tiefenwirksam und fesselnd, wie es die Aura der Platte alleine schon mit ihrem fantastischen Artwork kreiert. Hedva positioniert sich hiermit jedenfalls als vielversprechende Aktie.

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