Midlake – For The Sake of Bethel Woods
Neun Jahre nach Antiphon sind Midlake noch weiter vom Progressive Folk zum psychedelischen Rock gewandert – For The Sake of Bethel Woods hat insofern kaum mehr etwas mit den verschiedenen Phasen der Tim Smith-Ära gemein.
Dass Smith in den vergangenen Jahren auf Social Media-Ebene wieder still und heimlich nebenbei Erwähnung in etwaigen Postings der seiner ehemaligen Bandkollegen fand, nährte insgeheim schon auch ein bisschen die Hoffnung auf eine Reunion von Midlake mit ihrem ehemaligen (und mittlerweile ja weitestgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwundenen) Frontmann. Denn so toll Antiphon letztendlich auch war: für die Magie bei Midlake war dann eben doch Smith zuständig.
Der genau genommen ohnedies haltlose Comeback-Zweckoptimismus erweist sich allerdings spätestens jetzt, mit der ersten Platte seit fast einem Jahrzehnt, als haltlos – ebenso wie das eröffnende Commune als Acoustic-Einleitung mit immer enger gezogener Spannungskurve eine stilistisch falsche Fährte ist. Denn anstatt die verschiedenen Epochen des Folk wiederaufleben zu lassen, positionieren sich die ihrer Linie der ständigen Wandelbarkeit treu bleibenden Midlake nun eben näher bei neuen Nahverwandten wie King Gizzard. Was, wie der Vorgänger schon in ähnlicher Weise vorweggenommen hat, der Band so wirklich steht – nur kann das Songmaterial die Ausrichtung diesmal leider nicht stemmen.
Nach dem bockstarken Einstieg mit dem satt klimpernden, seine dominant gemixten Drums in die Auslage stellenden Quasi-Titelsong Bethel Woods (der gewissermaßen ein Hit ist, auch wenn der Refrain nicht ganz einlösen kann was die grandiose Strophe verspricht) will das fünfte Studiowerk der Texaner auch ohne Ausfälle (wo das monoton-stromlinienförmig dem smarten Groove der Rhythmussektion ereignislos folgende Gone markant und irritierend simpel im sonst so komplexen Ganzen schwächelt) schließlich keine herausragenden Momente mehr erzeugen, es bleibt in der gehobenen Klasse eines wunderbar anachronistischen, elektrischen Flusses nur wenig verbindliches hängen – und halt erstmals überhaupt in der Bandgeschichte nichts überwältigendes.
Das frickelnd tändelnde, seine Höhepunkte betäubende, an Grizzly Bear und Dirty Projectors erinnernde Glistening könnte zwar mit Exile zumindest seinen Platz tauschen, weil dessen strammer Beat samt märchenhaft-mystische Texturen und der Ahnung von Acts of Man hier deplatziert wirkt, es im Sequencing zumindest besser im Anschluß zu Bethel Woods gepasst hätte – im Zweifelsfall aber durch seine straighte Gangart auch getrichen hätte werden können: gerade die flotten, rockigeren Stücke demonstrieren einfach zu deutlich, dass diesen elf stets (sehr) guten Nummern immer der geniale Geistesblitz fehlt, um Begeisterung zu zünden, wirklich zu packen. Wodurch der Platte eine latent unbefriedigende, enttäuschende, ja sogar frustrierende Note anhaftet. Schade!
Toller ist da die ihr Ziel von vornherein offen lassende Struktur von Feast of Carrion, das verträumt zwischen Prog und Classic, Led Zeppelin und Steely Dan, mäandert, während das somnambul-weiche Noble als halluzinogen angejazzter Radiohead-meets-These New Puritans-Ambient die Atmosphäre über alles stellt – und von der individuelle Charakteristika hervorheben könnenden Produktion von John Congleton profitiert.
Das poppige Meanwhile plätschert gefällig und Dawning balance Nostalgie und Lethargie in der sedativen Disco-Lounge mit milder Langeweile, deutet sein monumentales Finale auch leider nur inkonsequent an. Dennoch trumpft die Band hinten raus noch einmal auf: The End ist ein hübscher Nachhall zu Bethel Woods in pittoresker Barock-Elegie und Of Desire schließt den Bogen als Epilog aus der Intimität kommend mit erhebend aufgehender Geste im romantischen Anachronismus: „We’re working it out/ But time can really, really play some tricks on us now“ singen die zeitreisenden Rückkehrer – und fassen die Ambivalenz ihres Comebacks dabei pragmatisch in Worte.
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