Nada Surf, Ezra Furman, Tall Ships [08.11.2012 Postgarage, Graz]

von am 9. November 2012 in Featured, Reviews

Nada Surf, Ezra Furman, Tall Ships [08.11.2012 Postgarage, Graz]

Matthew Caws, Daniel Lorca und Ira Elliot wollten mit ihrem aktuellen, siebenten Studioalbum ‚The Stars Are Indifferent To Astronomy‚ bekanntlich die Live-Band Nada Surf adäquat auf Tonträger bannen. Im Direkt-Vergleich zeigt sich nun, dass ihnen das doch nicht so ganz gelungen ist. Weil das abseits der Konserve doch noch einmal um Welten mitreißender ist.

Das beginnt schon beim unmittelbaren Einstieg mit ‚Clear Eye Clouded Mind‚ und ‚Waiting for Something‚, zwei neuen Stücken, die sich längst wie alte Bekannte anfühlen. Der Bogen zum restlichen Œuvre der Band ist somit mühelos gespannt, die Setlist trotz dezentem Fokus auf neuem Material so ausgeglichen wie sie bei knapp zwanzig Songs elaboriert ist. Irgendwo logisch, haben sich doch mittlerweile doch derart viele Hits im Repertoire der New Yorker angesammelt, dass man leicht den Überblick verlieren kann und selbst absolute Highlights wie das unsterbliche ‚Blonde on Blonde‚ bedauerlicherweise aber zwangsläufig irgendwo auf der Strecke bleiben müssen. Ansonsten ist der Lieblingsliederreigen ein schier  endloser: ‚Do It Again‚, ‚Whose Authority‚, ‚When I Was Young‚, ‚Beautiful Beat‚ – nahezu alles vorhanden. Allerdings spielen Nada Surf ihr Set eben nicht ausschließlich in Hinsicht auf die Quantität, sondern vor allem mit unschlagbarer Qualität. An der zweiten Gitarre verstärkt traditionell Guided by Voices-Mann Doug Gillard das Trio, furiose Gitarrenabfahrten vor dem gnadenlos treibenden Rhythmusinstrumenten inklusive. Eben alles noch eine Spur direkter, schneller, packender als auf Platte.

Ebenfalls rauher als auf Platte präsentieren sich die sympathischen Senkrechtstarter Tall Ships, die auf der Bühne mit immenser Lautstärke jeden Mathrock-Vergleich, der anhand ihres glanzvollen Debütalbums ‚Everything Touching‚ entstehen wollte schlicht in Grund und Boden rocken, gegen Ende ihres zu kurzen Sets das Schlagzeug gen Hardcore behandeln und gnadenlos unterstreichen, dass mit ihnen auch in Zukunft zu rechnen ist. Dass der danach die Bühne im schillernden Outfit enternde Ezra Furman diesmal nur mit Akustikgitarre da dezent den Kürzeren ziehen muß, tut seiner energisch-launigen Performance ebenso keinen Abbruch, wie die Tatsache, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits ordentlich betankt zu sein scheint und sich am Merchstand kaum mehr auf den Beinen halten kann: als würde ein überdrehter Tallest Man on Earth da kleine Melodiewiderhaken in Partystimmung ausstreuen, hat der Amerikaner nicht nur auch im spartanischen Soundgewand absolut stimmig funktionierende Songs in petto, sondern auch zahlreiche kurzweilige Lacher auf seiner Seite – und die knappe halbe Stunde Spielzeit von Tall Ships prompt genutzt hat, um kurzerhand einen neuen zu Song komponieren.

Das Privileg, dass man ihrer Musik uneingeschränkt lauscht, das wird den beiden Vorgruppen eben von keiner Seite gewährt, lauthalse Publikumsgespräche müssen stante pede geführt werden. Die mangelnde Aufmerksamkeit, die Tall Ships und Ezra Furman teilweise entgegen gebracht wird, schlägt Nada Surf als Hauptact dafür geradezu umgekehrt proportional entgegen: die Masse frisst dem Quartett auf der Bühne die songgewordenen Indierock-Schönheit schlicht aus den intensiv arbeitenden Händen: ‚Inside Of Love‚ wird zur beinahe magischen, schwelgenden Massenschunkel-Erfahrung, so erhaben wie berührend und doch intim, ‚The Way You Wear Your Head‚ rockt dafür nur noch umso härter. Für die umjubelte Zugabe packen Nada Surf ‚Hyperspace‘ und und ‚See These Bones‚ aus, bevor man mit ‚Always Love‚ allgemeingültige Glückseligkeit in Töne gießt und ‚Blankest Year‚ das interaktive „Fuck it!„-Partybekenntnis macht, Caws seine Gitarre energisch mit Elliots Schlagzeug wettreiten lässt und Lorca keine Sekunde mehr ohne Kippe auskommt. Fünf Minuten nach Mitternacht ist der Spuk trotz aller Brillianz zu Ende, er hätte gefühltermaßen ewig so weitergehen können. Weil ein Konzertabend, der drei potentielle Hauptacts beherbergt, hoch gesteckten Erwartungshaltungen nicht automatisch derart spielend übertrifft.

 

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