Oberhofer – Time Capsules II
Der 21 jährige Amerikaner hinter Oberhofer heißt tatsächlich Brad Oberhofer und ‚Time Capsules II‚ buddelt tatsächlich Indie-Popmusik aus zahlreichen Dekaden aus. Wer soviel Fröhlichkeit aushalten soll, ist eine andere Frage.
‚Time Capsules II‘ heißt einerseits wie es heißt, obwohl da nie ein Teil I veröffentlicht wurde, der weitestgehend unter Ausschluss des öffentlichen Interesses auf den jetzigen Mini-Hype vorbereiten hätte können. Andererseits, weil Oberhofer gleich von Beginn an in den Annalen der Indiepop Geschichte buddelt und seine eigenen Lieblingsstücke statt zu vergraben lieber im breitesten Sonnenschein herum zeigt, hell aufgeregt und jene Ingredienzien bestaunend. Das hat was vom mit Bauklötzen spielenden Jungen, der gar nicht genug bekommen kann von eingängigen Strophen und noch hartnäckigeren Refrains: Hier fahren die Melodien noch Ringelspiel, das Xylophon ist nicht zur Zierde da, überall klebt die Zuckerwatte an kantig gedachten Songs, Oberhofer selbst fährt im Riesenrad und ist mal ober, mal unter dem ganzen Trubel und meistens mittendrin im nachdrücklich verqueren Rock der dreiköpfigen Band: ‚Time Capsules II‚ ist ein irrwitziger Jahrmarkt geworden, infantil und ausgelassen, hyperaktiv gar: wohin zuerst nach all den Eindrücken?
Da grüßt Mika aus einer Zeit, als seine überdrehten Popentwürfe noch in den Rahmen passten, dort (ach was, überall!) schreien Weezer die „Wohoho„- Chöre des grünen Album. Die Shins feiern noch ‚Chutes Too Narrow‚. Die Entrücktheit des ersten Spinto Band Albums wird greifbar und die schräge Losgelöstheit der Teenagertage des zweiten Say Anything Album tanzt vorbei. Wenn Oberhofer in ‚Away Frm U‚ gefühltermaßen den Titel vom sechsten Song ‚oOoO‚ vorweg heult und später dann, bevor neben dem allgegenwärtigen Xylophon mal wieder fröhlich gepfiffen wird, kurz die Dampflock imitiert, kann man sich den Twen vorstellen, wie er im Schlafanzug und mit irrem Blick in bester Brian Wilson Manier vor dem riesigen Instrumentarium sitzt und eine kindliche Vorstellung von Herzschmerztrennungsmusik in überdrehte Kompositionen gießt. Wie anstrengend das sein kann, beweist das folgende ‚I Could Go‚ am einwandfreiesten: Aus Drumbeats entwickelt sich da eine geradezu manisch fröhliche Abschiedsankündigung, die penetrant von einem Bein aufs andere hüpft, permanent trillert irgendein Instrument in den Song, immer wieder diese Jahrmarkstimmung, unaufhörlich die fröhliche Maske vor dem wahrscheinlich traurigen, eventuell wahnsinnigen Gesicht. Und irgendwann reicht es ganz einfach: Man will Oberhofer diese kunterbunte Bubblegum-Inszenierung aus dem Gesicht wischen.
Dass ‚Time Capsules II‚ sich zu weiten Teilen wie ein ermüdendes Kunstprodukt anfühlt, ist einerseits Produzent Steve Lillywhite zu verdanken. Der Mann, der schon U2 auf die Beine half und in den 80ern für einige prägnante Bands die Knöpfe drehte, bastelte der Band eine dicke Produktion, die roh klingen möchte, das Becken scheppern lassende Schlagzeug kantig darstellen will und es letztendlich schafft, trotz fein säuberlich voneinander aufmarschierender Instrumente schlicht überladen zu wirken.
Anderseits sind es die Kompositionen selbst, die hinken und hinter all dem Jubel und Trubel, hinter den immer wieder eingestreuten Breaks und Kanten zu wenig Substanz überlassen. Wird die Sache mal ruhiger angegangen wie in ‚Yr Face‚, wo beinahe mit dezenter Zurückhaltung in der Melancholie gegrast wird, verpasst Oberhofer die wirklich großen, nachhaltigen Melodien, die er das restliche Album hinter den unzähligen langgezogenen „Oohohoho„-Chören andeutet, die jede der stets kommenden Refrainabfahrten verspricht. Eine Parade für jedes Herz, warum trauern, wenn man feiern kann?
Eine nette schrammelige, romantische Indie-Nummer wie ‚Haus‚ kommt mit feinen Streichern wie so vieles hier in Richtung Hit, das abschließende ‚Homebro‚ zeigt das theoretische Potenzial. ‚Time Capsules II‚ hat seine Momente, in denen es seinen hyperaktiven Indiepop ansatzweise auf den Punkt bringt. Zumeist aber bleibt da der Wunsch, dass Oberhofer das Gros ihrer Instrumentariums aus dem Studio werfen und sich auf das Wesentliche besinnen. Und zur Inspiration eventuell mal Pantera laufen lassen.
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