Ostraca – Eventualities

„I used to think there was something to protect, but there is nothing„: Keine zwei Jahre nach ihrem bisherigen Schaffens-Zenit Disaster (2023) erklimmen Ostraca auf der EP Eventualities ohne Netz und doppelten Boden sogar noch eindrucksvollere Sphären über dem Screamo-Horizont.
Mit dem gleichzeitig so roh und kraftvoll, ungeschliffen wie auch wuchtig perfekt sitzenden Sound von Danny Gibney jagt das Trio aus Richmond, Virginia sein Songwriting, sein Spiel, die Ästhetik und ihre hingebungsvolle, leidenschaftliche Performance nämlich gleich zu Beginn auf einen neuen Höhepunkt: Song for a Closed Door beginnt überragend in Mogwai-Gefilden voll nachdenklicher Melancholie, eskaliert jedoch nach knapp zwei Minuten garstig hetzend und keifend, mit brutzelnden Gitarren und in wilden Purzelbäumen rotierenden Drums als harscher Emoviolence. Dort atmen Ostraca durch und wuchten sich mit hymnischer Melodik und eine postmetallische Wall of Sound, einfach malerisch erhaben, bis das Finale in der ziselierten Noise-Drone-Schönheit absäuft. Eine unendlich dringliche, intensive, stimmig komponierte und hungrig umgesetzte Tour de Force voller Wehmut und dem Anstoß, Dinge anzupacken. Atemberaubend gut!
Compromise bricht dort unvermittelt als harsch kloppender Hardcore geradezu romantisch los, lichtet sich jedoch für kontemplativ wirbelnden und polternden Post Grunge, der Crust-affinen Thou gefallen sollte, derweil der Tritt aufs Bremspedal für epische Gesten sorgt. Esau bettet sich ruhig und nachdenklich, bedächtig und melancholisch im Postrock, zieht seine Spannungen jedoch ohne lange Aufwärmphase an, um im Herzen seiner friedlich scheinenden Vorstellung einen aggressiv aufgerauhten Ausbruch zu forcieren und in der alternierenden Struktur am Ende gar ein bisschen zu radikalisieren. Die Basis von Bassist Gus Caldwell, Gitarrist Brian Russo und Drummer John Crogan vermisst mittlerweile eine bestechende Bandbreite, die enorme Dynamik und Wandelbarkeit geht nie auf Kosten der Griffigkeit.
Dass Ostraca mittlerweile herausragend gut im herausarbeiten der Kontraste und Amplituden in ihrer Musik sind, und das Einverleiben der stilistischen Peripherien wie einem natürlichen Prozess als elementares Gewicht mitnehmen, führt dann auch So Do I vor. Wie erhaben und anmutig gerade die Momente der Schönheit und Ruhe im Verlauf sind, überwältigt hier ein bisschen entlang von Melodie-Bögen, die wie Score-Sehnsüchte schwelgen. Dennoch fällt der dahinter liegende Screamo ein wenig ab – auch, weil der zu abrupte Einstieg respektive das ebensolche Ende sich nicht ganz rund in den restlichen Kontext einfügen.
Die Katharsis, die Ostraca als beeindruckende Ausnahmeerscheinung mit einer konstanten Zuverlässigkeit als Ass im Ärmel auch auf Eventualities erzeugen, ist über knapp 20 Minuten dennoch einmal mehr von spektakulärem Referenzwert für das Genre.
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