Pallbearer – Forgotten Days

von am 26. Oktober 2020 in Album

Pallbearer – Forgotten Days

Pallbearer verwalten ihre Ausnahmestellung im Doom mit Forgotten Days so ansatzlos wie kompetent, haben jedoch erstmals ein Album aufgenommen, dass vollends ohne Magie auskommen muß.

Natürlich ist die Fallhöhe bei dem Quartett aus Little Rock nach zwei Meisterwerken in Form von Sorrow and Extinction (2012) und Foundations of Burden (2014) sowie des immer noch hervorragenden Heartless (2017) eine gravierendere, als bei nahezu jeder andere Band des Genres. Und freilich würde ein Gros der Konkurrenz auch weiterhin die Seele für einen aus dem Noise und Drone erwachenden Einstieg wie den Titelsong verkaufen, der alleine mit seinem ersten Riff mehr richtig macht, als die gesamte letzte Electric Wizard-Platte, bevor Pallbearer mit einer catchy Effektivität das traditionelle Vermächtnis von Black Sabbath bis Candlemass zelebrieren.
Aber bereits hier fällt auch auf, dass der Vierer konventionell strukturiert komponierend den Prog zwar noch empfiehlt, jedoch selbst nur noch auf ein Minimum reduziert praktiziert – man agiert generell straighter, offenkundiger. Noch eklatanter ist eine zahme Produktion, in der ausgerechnet Randall Dunn die Band verwaschener als nötig klingen lässt, viele grundlegende Stärken nicht akzentuiert genug auf den Punkt bringt und sogar die packende Emotionalität von Sänger Brett Campbell ein wenig apathisch inszeniert, während der Mix kaum prägnant fokussierten Punch zulässt.

In dieser Ausgangslage (und hinter einem potthässlichen Artwork) ist Forgotten Days eine so befriedigende wie frustrierend Angelegenheit mit viel Klasse geworden, der aber (auch aufgrund der diesmal nicht überwältigenden Riffs) einfach das letzte Quäntchen Genie fehlt, um der bisherigen Diskografie auf Augenhöhe begegnen zu können.
Das verträumte Riverbed verführt so weich und zärtlich wie gefällig, der sehnsüchtige (Anti-)Optimismus von Stasis kommt auch deswegen nicht über den Standard hinaus, weil die retrofuturistischen Synthies im Appendix der Nummer eher Alibi-Patina bleiben, Nuancen andeuten anstatt Konsequenz zu zeigen, und an der Startrampe zum Weltraum-Trip lieber die Kompaktheit erzwingen. Silver Wings holt diese Freiheit zwar direkt nach, doch wirkt der zwanglose Jam hier losgelöst vom Korpus des Songs wie ein vorneweg angepappter Exkurs, wenn Pallbearer den eingeschlagenen Weg komplett revidieren und über insgesamt 12 Minuten das Herzstück der Platte bauen, eine pastorale Majestät, eine erhebende Grandezza, der vielleicht die Gänsehaut abgeht, die so aber wohl niemand sonst da draußen schreibt – selbst wenn sich die eindimensionalen Kosmetik-Synthies auch hier als Finte erweisen, die pragmatisch arrangierten Streicher ohne Penetranz eine konventionelle Schönheit ausstrahlen.

Verstärkt wird diese noch durch den Kontrast, mit dem The Quicksand of Existing übernimmt: Knackig drückend, die Gitarren werden später sogar fauchend von der Leine gelassen – obgleich die Frage im Raum stehen bleibt, wie stark das erst jenseits der gemütlichen Komfortzone klingen hätte können, wenn mehr Radikalität provoziert worden wäre – nur um wieder ein ambivalentes Verhältnis der Platte vom übergeordneten Ganzen in einem homogenen Fluss mit der Sucht nach straighteren, kürzeren Happen zu demonstrieren. The Quicksand of Existing endet abrupt, die Routinearbeit Vengeance & Ruination startet nahtlos. Zwar erfüllt der Refrain und das fein aufmachende Finale die Ansprüche an Pallbearer, doch mäandert das Quartett hier in die schwächste Phase der Platte, die sich hier mit einem weiteren entwaffnenden Chorus inmitten eines Füllers fortsetzt.
Auf halben Weg zur Bekömmlichkeit agiert die Band also gefühlt auf Autopilot, bevor Caledonia doch noch versöhnlich entlässt, sich zu einem aufzeigenden Abschluss aufschwingt: Pallbearer liebäugeln über die Rhythmussektion und eine 80er-Entrückung kurz und weich mit Cult of Luna zu Vertikal-Zeiten, lassen ihre Heaviness dann aber in betörender Harmonie aufgehen.
I cannot remember/ From where I came/ And I cannot remember/ Who I once was“ heißt es einmal im Verlauf und gleich zu Beginn: „So strange, the sensation/ I’ve come to know it well/ It comes with sinister negation/ To erase my identity/ …/ These years, my lifetime/ Everything I am I can feel them slipping away/ Like sand through my fragile hands/ …/ Once strong Now I’m frail/ …/ Who can I trust with tomorrow?/ I no longer know myself“. Es ist nun nicht so, dass Forgotten Days derart drastische Identitätsprobleme und Schwierigkeiten mit der Vergangenheitsbewältigung an den Tag legen würde – eher so, dass die inszenatorischen Umstände das Gesamtbild unnötig schmälern. Allerdings ist aber auch etwas symptomatisches dran, an Zeilen wie „Ain’t it hard/ To find a new start/ When you don’t really want/ To change.

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