Patrick Shiroishi – Forgetting Is Violent

Patrick Shiroishi hat sich als gefragter Kooperationspartner insgeheim längst als eine Art Geheimwaffe etabliert, wenn die amerikanische Avantgarde-Szene ihrer Musik experimentelle Jazz-Schraffuren beibringen möchte. Auf Forgetting Is Violent revanchieren sich nun einige dabei gewonnene Freunde.
So eröffnet die nahtlos ineinanderfließenden Platte gewissermaßen mit einem in sich geschlossenen Triptychon im Gesamtwerk, das durch das Mitwirken von Aaron Turner geprägt wird.
Erst als einziger Gast (To Protect Our Family Names wird als Strom aus sich überlappenden Stimmen vom Saxofon Shiroishis infiltriert, bis sich die beiden Passagen wie diametral aufreibend-wuselnde Ameisenhorden überlappen, nervös und dissonant, bevor das Feedback aus der Gitarre des Sumac-Kopfs zaghaft zu grummeln beginnt und in einen geschäftigen Noise führt), später mit zusätzlicher Unterstützung.
Mountains That Take Wing beruhigt sich in in der ambienten Weichheit eines smoothen Jazz-Traums, der in seiner zweiten Hälfte immer deutlicher von Turner heimgesucht wird (bei dieser Gelegenheit: einmal mehr ist es eindrucksvoll, dass der Sound seiner Gitarre alleine – tief grollend, abrassiv fiepend, unheilvoll apokalyptisch hallend – solch eine charakteristische Ästhetik und Unverkennbarkeit implementieren kann), bevor der Gesang von Gemma Thompson auf die letzten Meter wie ein gespenstisches Echo einnimmt, unweit von Grouper. …What Does Anyone Want but to Feel a Little More Free? ist dort ein ätherischer Nachhall mit Faith Coloccia an den Vocals, derweil Spoken Word-Passagen die abstrakte Elegie auf politisch Ebene aufladen und in gewisser Hinsicht den Bogen zu The Film spannen.
Die schamanistische Totenmesse There Is No Moment in My Life in Which This Is Not Happening agiert danach wie ein Zwischenspiel. Verführerisch entrückte Gesänge und eine schimmernde Dunkelheit existieren nebeneinander. Uboa-Kumpeline Otay:onii salbt die Theatralik wehklagend, sucht die ausgearbeitete Szenarie giftig greinend heim und kasteit Shiroishis Welt so weit, dass dieser zum Herzen von Forgetting Is Violent vordringen kann – der einzigen Solo-Phase der Platte.
One Last Walk With the Wind of My Past wacht langsam und still auf, ahmt Meeres-Rauschen nach und bläst tonlos, während eine traurige Melancholie ruhig durch die Szene weht. Die so erzeugten imaginative Bilder vor dem inneren Auge sind unfassbar stark, vor allem auf emotionaler Ebene intensiv, bis der romantische Ausklang die sorgsam texturierte Einsamkeit weich und elegant aufwiegt. Prayer for a Trembling Body addiert dazu wunderschönen, unspektakulären Gesang, als ambiente Ballade, irgendwo zwischen Sigur Rós und Colin Stetson, bevor To Become Another Being There Has to Be Some Kind of Death wie die vergängliche Erinnerung daran subtil verklingt.
Dadurch gerät das fast zehminütige Trying to Get to Heaven Before They Close the Door umso eindrucksvoller – als choraler Drone, an dem sich Mat Ball an der von Amplified Guitar I und II verschweißten Achse aus Godspeed You! Black Emperor und Sunn O))), Big Brave und No More Apocalypse Father abrassiv aufreibt. Monumental, enigmatisch, heimelig und abstrakt.
Shiroishi tritt dabei zurück und fungiert wie ein Feature in seinem eigenen Klangkosmos. Tatsächlich transzendiert die Musik jedoch jenseits personeller Konturen. Denn Arbeiten mit dem amerikanischen Free Jazz-Improvisateur passieren stets im Zentrum formoffener Synergie: fesselnd, eigenwillig, eklektisch, assoziativ. Und Forgetting Is Violent ist als Gemeinschaftsarbeit insofern eine von Shiroishis besten Arbeiten.
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