Sumac and Moor Mother – The Film

von am 26. Mai 2025 in Album

Sumac and Moor Mother – The Film

Mit dem World of Light-Remix auf The Keeper’s Tongue haben Sumac und Moor Mother eine gemeinsame Basis gefunden. Auf dieser bauen sie nun das multimediale Konzeptwerk The Film.

The idea is to create a moment outside of the convention. This is a work of art. Thinking about the work as a Film, instead of an album or a collection of songs. This task is impossible in an industry that wants to force everything into a box of consumption. You won’t understand or get the full picture until the artwork is completed. This work is developing and is requesting more agency within the creative process. The themes are universal in nature – land – displacement – the climate – human rights and freedoms – war and peace – the idea of running away from the many violent forces and horrific systems of man and empire“, so (die hier für „vocals, synths, effects“ verantwortlich zeichnende Camae Ayewa alias Moor Mother. Gut möglich also, dass man selbst The Film nicht im entsprechenden Ausmaß begreift – nimmt man das Gesamtwerk doch zugegeben in erster Linie auf seiner Ebene als Musik-Album wahr.

Soviel zur Ausgangslage, die dann, aus Sumac-Perspektive kommend, durch den beiden Keiji Haino-Kooperationen American Dollar Bill – Keep Facing Sideways, You’re Too Hideous to Look at Face On (2018) und Into This Juvenile Apocalypse Our Golden Blood to Pour Let Us Never (2022) wahrnehmungstechnisch zusätzlich geprägt ist.
Wonder beiden Parteien sich dort jedoch wie freie Radikale gegenseitig verstärkten, herrscht auf The Film gerade eingangs jedoch eine seltsamen Harmonie zwischen Sumac und Moor Mother, als würde niemand den anderen aufgrund einer grundlegenden Zurückhaltung in einer gewissen Komfortzone stören wollen.

Scene 1 rezitiert seine Poesie mit manischer Intensität beschwörend und zieht den MO der Intonation fast schablonenhaft vorwegnehmend mit der Intensität a la Saul Williams in seinen Bann, während Sumac sich dahinter auf eine Gitarre limitieren, ihrem Sound aber auch in dieser kargen Form etwas unverwechselbares verleihen, aus dem in Scene 2: The Run der typische Avantgarde-Morast der Band aus massivem Sludge-, Drone, und Post-Metal wächst: eine abstrakte, esoterische Heaviness, die apokalyptische Symphonien aus dem Feedback schält.
Moor Mother skandiert dazu wie im Fieber, nimmt sich im finalen Drittel des Stücks aber bis zur unmerklichen Interaktion zurück, wo das stimmliche Ungetüm Turner ausnahmsweise von der Leine gelassen ist und das monströse Riff auch direkt zu The Healer (2024) zeigen könnte.
Spätestens hier geht der Platte der Knopf auf. Und The Film findet, ausgerechnet auch durch die Assimilation zusätzlicher Synergien, auf eine eigene Schiene.

Hard Truth ist ein kurzes, sphärisches Interlude mit Candice Hoyes und Scene 3 geht mit Kyle Kidds Gesang in einem überraschend melodischen, melancholischen Rahmen sogar beinahe noch schlüssiger auf. Die Band akzentuiert und formt ihren Sound gewissermaßen konventioneller, gestaltet den erratischen Wellengang ihres Wesens in der Repetition beinahe am Noiserock und legt damit die Basis für einen verselbstständigten Flow.
Die folgenden Nummern wirken wie ein spontan aus dem Leim gehendes Triptychon im Gesamtwerk: In Scene 4 erzeugt Sovei nicht nur im peripheren Blickfeld R&b-Sphären, die traumwandelnd mit skizzenhafter, altruistische Folklore experimentieren, und Camera ist eine Übung in Dekonstruktion, Minimalismus und abrasiver Reibung, bevor The Truth Is Out There als modulierter Space Ambient ein weiteres Zwischenspiel vor dem Finale darstellt.

Scene 5: Breathing Fire walzt den MO als längste Passage voller schamanenhafter Stakkato-Eruptionen aus. Sumac und Moor Mother nehmen einander an der Hand, formen dramatische Figuren und agieren aggressiver, fransen im Impro-Jam instrumental aus und finden einen friedlichen Ausklang in ruhiger, elegischer Schönheit. Regelrecht versöhnlich.
Alleine in dieser Phase ist The Film sinnbildlich zumindest nicht so anstrengend, wie die Haino-Zusammenarbeiten es sein konnten – und entlohnt entlang seines szenisch zerfahrenen Stückwerk-Verlaufs als abstrakt-homogenes Ganzes, indem es den Sumac-Kosmos als rücksichtsvollen Nährboden für sozialpolitischen Unmut umdenkt. Dem kann man zwar vorwerfen, dass Sumac und Moor Mother jeder für sich schon noch bessere Alben kreiert haben, und der Verbund der beiden Fraktionen im Umkehrschluss hier nicht am Limit seiner Möglichkeiten agiert, während das Ergebnis auf ein zwingenders Album destilliert hätte werden können. Doch ringen die kreativen Partner sich und ihren jeweiligen Diskografien mit einem sich eher nach Aussaat, denn nach Ernte anfühlenden Werk dennoch reizvolle neue Facetten ab.

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