Paul Smith – Diagrams

von am 21. November 2018 in Album

Paul Smith – Diagrams

Paul Smith hat mit Diagrams abermals eine zwischen Bett und Haustür tändelnde Soloplatte aufgenommenen, die als interessante Ideensammlung unausgegoren auf halben Weg zur ungezwungen B-Seiten-Demo seiner Stammband mäandert.

Seine (je nach Zählweise zweite bis vierte) Soloplatte spielte Smith mit Ausnahme überschaubarer Beiträge wie etwa von Folkmusikerin Marry Waterson oder Co-Betreuer Andrew Hodson (Warm Digits) unter produktionstechnisch skizzenhaft anmutender Inszenierung wieder weitestgehend im Alleingang ein und widmet sich dabei einer ungebundenen Varianz und legeren Lockerheit im Auftreten sowie Songwriting, die bei Maxïmo Park trotz assoziativ immer wieder anvisierter Nähen in dieser (unfertigen) Form (noch) keinen Platz hätten.
Dieses relativ fokusbefreite Wesen macht dann zwar auch einen gewisser Reiz von Diagrams aus, weil sich praktisch mit jedem Song zusammenhanglos spontan die Richtung ändern kann und vielversprechende Ansätze auch dann verfolgt wurden, wenn sich letztendlich kein lohnendes Szenario abzeichnet. Doch vor allem ist es ein Manko, dass 39 Minuten zu beliebig und wahllos zwischen den Stühlen sitzen lässt, keinen Druck in der Darbietung erzeugt und praktisch in jeder Chance doch vor allem Kinderkrankheiten und Schönheitsfehler in die Aufmerksamkeit rückt.

The Public Eye schlendert als gängelnder Indierock, bei dem das einst von Peter Brewis installierte Saxofon die Gitarren begleitet, doch wiederholt der catchy Opener sein Schema strukturell repetitiv bis zur Übersättigung. Auch das sofort an die Angel kriegende Hollywood Hills flaniert mit dem Gebläse in den Texturen dahin – doch die monoton-eindimensionale, völlig ohne Pfeffer arbeitende Rhythmusarbeit unterläuft die einnehmenden Melodien, wie auch (das aufgewärmte Our VelocityDéjàvu) Critical Mass deswegen jedwede Leidenschaft ohne Intensität blutleer unter Wert verkaufen muss.
Generell fallen der dünne Sound Smiths Fähigkeiten zur melancholischen Fingerübung immer wieder in den Rücken. Syrian Plains verspricht etwa grungigen Poprock, den aber wohl erst die Präsenz von Maxïmo Park als tragendes (instrumentales) Kollektiv mit dem nötigen Gewicht in der Performance aufwiegen und auch für unberechenbare Impulse innerhalb einer Komposition hätte können – so aber bleibt der unerfüllende Schatten einer fein degradierten Nummer, deren eigentlich ekstatisches Finale einfach nur kraft-und damit irgendwie auch sinnlos erscheint.
Siehe ebenfalls den rasanten Rocker Silver Rabbit mit seinen aus der Garage heraus eskalierend-beschleunigenden Gitarren oder den entspannter Americana-Highway-Versuch Your Orbit – beides vom Fleisch gefallene und deswegen nur halbstarke Outlaws, die nicht über ordentliche, leicht unangepasste Versprechungen hinauskommen, wo auch Hits hätten entstehen können.

Als inkohärente und mit einer gewissen Beliebigkeit zu Werke gehendes Sammelsurium funktionieren die leichtfüßigeren Kompositionen deswegen auch etwas besser als die rockig veranlagten Ausbrüche, weil sie in Kombination mit der luftig-unbissigen Inszenierung schlüssiger wirken – selbst sie mäandern jedoch mit dem konturlosen Mangel an Dichte und packenden Momentum inkonsequent, muten sogar bei einer an sich überschaubaren Gesamtlänge unnötig eiernd in die Länge gezogen an, weil nichts auf den Punkt zu kommend scheint.
Lake Burley Griffin pflegt etwa eine kontemplative Nachdenklichkeit über eine ätherisch-sedative, schlaftrunkene Performance samt Klarinette rund um sehnsüchtig-ambientes Gitarrenspiel, mit Slint oder Tortoise liebäugelnd: Das ist interessant und einnehmend, weil demonstrativ hypnotisch entschleunigt von jeglicher Spannung befreit – aber mit im flimmernden Weichzeichner verschwommenen Hooks ebenso dezent ermüdend, wie das stimmungsvoll am Ambient angelehnte The Beauty Contest in stilvoller Trance, die anstelle einer wohligen Ballade nur zu einfach als plätschernde Langeweile ohne Motivation interpretierbar ist.
Trotzdem wachsen einzelne Momente zu angenehm nebenbei laufenden Rohdiamanten, die Smiths Klasse mit Grandezza ausführen. Das muntere Around and Around etwa, das nett und unaufdringlich eine weich-vage Hommage an die Zärtlichkeit von The Smiths oder The Cure in sich trägt und mit Handclaps angenehm locker keinen Zwang kennt. Auch das liebenswerte John punktet durch kompetenten Charme, bevor das zu Tell It To My Heart meets Lydia, The Ink Will Never Dry-jangelnde Head for Figures aus schönen Einzelfragmenten erbaut ist, die aber nur in jener Schräglage zusammenpassen wollen, für die Diagrams dann auch überhaupt erst existiert.
So sind es paradoxerweise Lichtblicke auf einem Werk ohne tatsächliche Ausfälle, das sich aber erst durch Smiths Stimme gerade noch in trockene Tücher rettet.  Ob die elf Songs deswegen auch weniger als Album gebündelt zünden würden, als in einer wahllosen Paul Smith-Playlist, um dort für eine abwechslungsreiche Facettenvielfalt zu sorgen, die gar nicht erst einen kohärenten Biss benötigt, ist anzunehmen. So aber will das hier liegen gelassene Potential  als halbgar aufbereitetes Material ansonsten nicht einmal in Anbetracht der skizzierten Charakterstärke und sympathischen Unkompliziertheit wirklich frustrierten. Dafür tändelt die romantische Angelegenheit Diagrams mit assoziativem Maxïmo Park-Bonus zu ordentlich – oder auch einfach eine Spur zu egal.

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