Radiohead [09.12.2025: Berlin, Uber Arena]
Als Ganzes war Tag 2 weniger stringent und begeisternd, als der fulminante Start in die vier Berlin-Shows von Radiohead, hatte dafür aber subjektiv noch mehr einzelne Lieblingssongs zu bieten.
Gleich zum Einstieg etwa zündet 2+2=5 als Opener weniger bestechend (als Planet Telex), wenn sich die Video-Panele zum Ausbruch der Spannung nicht heben, sondern erst im darauffolgenden Airbag. Zudem erweisen sich vor allem die beiden A Moon Shaped Pool-Vertreter als schwierig: Ful Stop ist bis hin zu seinem herrlich exzessiv auf die Schlagzeuge ausgerichteten Finale fast zu dicht gestrickt stehend, setzt beim Publikum aber nicht die zwingenden Energien frei, wie es beispielsweise The Bends tut. Ähnliches gilt für das minimalistische Present Tense, bei dem die Menge ihre Mitklatschen bald einstellt und man die überschaubare Menge an ansonsten allgegenwärtig filmender Smartphones im Blickfeld durchaus als Gradmesser für die unspektakuläre Wirkung der wohltuenden Nummer (zu der Ed entspannt träumend wegdöst) interpretieren kann. Und There There ist freilich ein fantastischer Song – als Closer aber nicht ein derart unvergessliches Ereignis wie Karma Police.

Obwohl derartig kleine Details Setlist B in Summe etwas weniger kompakt und dynamisch erscheinen lassen, verfliegt die Spielzeit von insgesamt knapp 2 Stunden diesmal gefühlt sogar noch rasanter, als am (um wenige Minuten kompakter gehaltenen) Abend zuvor. Das ist wohl einfach Radiohead-Magie.

Kein Vergleich zum verregneten Montag-Abend sind übrigens die Warteschlangen vor der (weitestgehend wirklich sehr gut organisierten) Uber Arena (weil: nicht mehr wirklich vorhanden), der Eintritt läuft diesmal wie geschmiert.
Doch sonst bleibt vieles gleich: Die Visuals der Show auf der kreisrunden, von überall gut einsehbaren Halle sind wieder exzellent, die Preise beim Merch (der ab 15.00 Uhr nichtsdestotrotz extrem gut besucht ist) bleiben konstant jenseits von gut und böse. Der abermals gelungene Sound kann (zumindest vor Thom und Jonny positioniert, mit etwas mehr Abstand zur Bühne) am Dienstag noch ausgewogener überzeugen, die Stimme von Yorke ist auch merklich trittsicherer als 24 Stunden zuvor (selbst wenn der 57 jährige zahlreiche hohen Passagen mittlerweile einfach grundlegend umschifft).
Und natürlich ist das (höchstens minimal weniger begeistert Stimmung machende, dafür mehr „Dankeschön“s und „Muchas Gracias“ von Yorke einheimsende) Publikum auch am zweite Gastspiel-Tag reflexartig im Entertainment-Modus, wenn ab 20.15 das anheizende Spiel aus Tönen und Lichtspielen beginnt, und es 15 Minuten später niemanden mehr auf den Sitzen hält, wenn die Briten eine bestechende Chemie zur Schau stellen.

In Reckoner wird die ganze Band zur Rhythmusmaschine samt dezent angedeuteten Jam-Ende, Seperator groovt wie Myxomatosis ohne Unterlass. Am anderen Ende des Spektrums sind vor allem der Pyramid Song, Optimistic sowie gerade das Doppel aus Exit Music (for a Film) und Street Spirit (Fade Out) einfach nur herzzerreißend schöne Hymnen mit Gänsehaut-Garantie – in No Surprises steht selbst der ansonsten so gelöst abgehend könnende Colin einfach nur glückselig am Bühnenrand und betrachtet das Handy-Lichtermeer mit leuchtenden Augen.
Das persönliche Highlight des Abends ist dennoch das (angesichts der doch vorhersehbar alternierenden Setlisten) unerwartete Auftauchen von How to Disappear Completely, das durchaus ein wenig zu Tränen rührend kann.

Während der Nummer versagt übrigens Jonnys Ondes Martenot den Dienst. Überhaupt sorgt der neuerlich Grammy-nominierte Musiker (ungewollt) für die Szenen des Abends: Vor Airbag vergisst er mal wieder, seine Gitarre nachzustimmen, weswegen die Nummer hinter einem klamaukhaften Gniedeln von Yorke neu gestartet werden muss – keine Premiere auf dieser Tour, sondern eher schon Tradition – und in Sit Down. Stand Up verpasst er den richtigen Einsatz, was den Beat ein wenig aus der Bahn wirft.
Dafür erntet er irritiert strafende Blicke von Yorke – der Auftritt der „unpredictable machine to follow“ names Radiohead bekommt dadurch aber nur umso sympathischer geerdete Züge, von denen man noch sehr lange zutiefst erfüllt zehren können wird.
Setlist:
2 + 2 = 5
Airbag
Jigsaw Falling Into Place
All I Need
Ful Stop
Nude
Reckoner
The Bends
Separator
Pyramid Song
You and Whose Army?
Sit Down. Stand Up.
Myxomatosis
No Surprises
Optimistic
Play Video
Bodysnatchers
Exit Music (for a Film)
Street Spirit (Fade Out)Encore:
Let Down
Weird Fishes/Arpeggi
Idioteque
Present Tense
How to Disappear Completely
Paranoid Android
There There





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