Rika – How To Draw A River, Step By Step

von am 3. April 2013 in Album

Rika – How To Draw A River, Step By Step

Rika stemmen auf ihrem langsam herangewachsenen Debütalbum weitestgehend die Erwartungshaltungen, welche nach den beiden vorangegangenen, so famosen Split-Singles durchaus gestellt werden durften. Auf How To Draw A River, Step By Step‚ fächert das Niederösterreichische Quartett seinen tief in den 90ern verankerten, zwischen Indie- und Emo pendelnden Rock sogar noch überlegter und akzentuierter auf als bisher.

Wobei die mittlerweile so verpönte Schublade Emo von Rika seit jeher im Stil der Hochphase des damals noch unschuldigen Genres aufgezogen wird. Die Österreicher klingen auf ‚How To Draw A River, Step By Step‚ immer noch nach den nahverwandten Kollegen von Empire! Empire! (I Was A Lonely Estate) – und den Gottväter des Genres von Mineral bis Sunny Day Real Estate dabei einen beherrschten Tribut zollend. Rika spitzen ihre Liebe zu den Ursprüngen ihres Rockfundaments niemals klarer zu als in ‚October‚, dieser am deutlichsten im frühen Emo-Core fußenden Wohltat, einer kleinen Hymne aus der Nische gar. Spätestens wenn die nie oppulenten aber dennoch majestätischen Streicher in den Song klettern ist das großes, aber auch so unaufgeregt zelebriertes Gefühlskino, das man sich künftig guten Gewissens zwischen die ruhigsten ‚Clarity‚-Songs, frühe Death Cab for Cutie-Nummern oder aktuelle Into It. Over It.-Kleinode auf das Mixtape mit zeitlosen Lieblingssongs aus der fraglichen Ecke packen kann.

Wie jede Sekunde auf ‚How To Draw A River, Step By Step‚ funktioniert auch ‚October‚ dabei ohne Vorschlaghammer agierend, seine Vorzüge unaufdringlich anbietend und bei zahlreichen Gelegenheiten zum besinnlichen Eintauchen verleitend. Keine Eruption scheint hier Ausdruck einer wütenden Aggression, Rika lassen ihr Songwriting ausgeklügelt in sich selbst ruhen und gegebenenfalls in aller Schönheit implodieren. Die 40 Minuten der Platte reflektieren damit wohl die Entstehung in einem „still gelegten Fabriksareal, fernab dem lauten Treiben der Großstädte“ unter der Ägide von Christian Hölzel (Francis International Airport) – neben der dezenten Achillesferse der Platte (die Songtexte können nicht vollends mit der ausgeklügelten Intensität der Kompositionen mithalten) schmälert der gelegentlich auftauchende Wunsch nach einem energischer inszenierten, explosiveren Soundkosmos den Genuss von ‚How To Draw A River, Step By Step‚ jedoch nur marginal. Zeigen Rika über die versammelten 10 Songs hinweg doch abseits der ausgetriebenen Impulsivität vor allem ein beeindruckendes Gespür dafür, vielschichtige Songs facettenreich in einen homogenen Rausch zu vermengen.

Das ansatzweise poppige ‚Port Dover‚ verdichtet sich so etwa sorgsam arrangiert bis hin zu seinem immer eindringlicher werdenden Finale. Das so betörende wie ergreifende ‚See-Through‚ ist dagegen schon beinahe Slowcore ala Savoy Grand: jedes Instrument scheint unter dem Gewicht der Welt zu resignieren und wo andere Bands den ausladenden Streicherpart zur plumpen Detonation des Songs nutzen würden, intensivieren Rika ihr Requiem stattdessen mit aller Zeit der Welt. ‚Mute‚ borgt sich seine schweren Orgeltöne bei Mogwai und braucht eine Weile um aus einer schwelgenden Elegie zu erwachen, tut dies dann aber mit perlenden, schrammelnden Gitarren und schüchtern hinter dem Geschehen stehenden Streichern und Bläsern. ‚Safety Points‚ transkribiert das Gitarrenspiel von Mark Kozelek galant, ‚Treasure‚ verschmilzt seine klassische Sun Kil Moon-Melodiefolge dann endgültig mit einer spartanischen Interpretation der zweiten Bon IverPlatte. ‚Departure‚ gönnt sich abschließend eine zu Tode betrübte Trompete als Rausschmeißer und öffnet sich schlussendlich sogar doch noch kurz dem Postrock. Die optimistisch tängelnde Pianomelodie in ‚Retrospect‚ alleine mag in diesem euphoriegedämpften Umfeld keine Leuchtturmfunktion einnehmen und geht langsam in den Wogen der restlichen Instrumente unter: wunderbar so!

How To Draw A River, Step By Step‚ ist dabei von Grund auf kein exzessives Werk, kein ausuferndes, kein exaltiertes; viel eher  ein still in sich gekehrtes, ein beinahe einsam mit sich selbst beschäftigtes, mitsamt all dieser wohltemperiert gesetzten Akzente. Der geübte Blick auf das große Ganze und die permanent so intensiv gehaltene, wenig ausgelassene Atmosphäre dieses Album-Albums sind allgegenwärtig und erstaunlich dicht gewoben, man will es lieber erfahren nennen denn erwachsen. Als Motor dient dabei die schier unerschöpfliche Grundmelancholie der Band. Die eröffnenden zwei Minuten von ‚Restless‚ versprechen dies bereits eingangs mit tröpfelndem Piano und vor Wehmut vergehenden Backgroundgesang. Derart berührend wie hier ist vielleicht seit der letztjährigen, klammheimlich wachsenden A Whisper in The NoiseGroßtat aus dem letzten Jahr niemand mehr über die Klaviatur der Schwermut geglitten. Es ist jedoch definitiv keine trostlose Reise, welche die Niederösterreicher hier so beispiellos für hiesige Breitengrade wachsen lassen: es ist sogar vielmehr eine insgeheim hoffnungsvolle. Zurecht: der Silberstreifen am Horizont verschwindet nie gänzlich, ‚How To Draw A River, Step By Step‚ in seinen besten Momenten näher dran an der Meisterleistung denn an der gelungenen Talentprobe.

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