Rise Against – Ricochet

Rise Against sind bisher gut damit gefahren, stets Variationen desselben Albums aufzunehmen. Nun probieren sie mit Ricochet neue Wege aus – und beweisen damit nur, dass das Tragen von limitierenden fokussierenden Scheuklappen nicht die schlechteste Idee war.
Ausgerechnet nach dem gelungenen Nowhere Generation (II) hat es der Band aus Chicago jedoch auch selbst gereicht und neue Impulse sollten her – diesmal markantere, als beim von Nick Raskulinecz betreuten, schwächelnden Virgin-Ausflug Wolves.
Anstelle der sonst gesetzten Produzenten Bill Stevenson und Jason Livermore wurde deswegen Catherine Marks (u.a. Boygenius oder Manchester Orchestra) sowie Mix-Meister Alan Moulder angeheuert. (Und eventuell auch dieselbe Artwork-KI wie bei Tiles Whisper Dreams?)Und weil Rise Against ihr Songwriting dafür zudem eklatant umgeschichtet haben, unterscheidet sich das Ergebnis in dieser Konstellation dann auch tatsächlich vom bisherigen Autopilot der Punkrocker.
Nur: Ist diese Abwechslung tatsächlich 41 Minuten mediokrer, konventioneller Rock-Austauschbarkeit im energiefreien, fast lethargisch langweilenden Sound wert, die eine seltsam müde Band einfangen, wo von den verwaschenen Vocals bis zu den druckfrei komprimierten Gitarren keine Spur von ambitionierten Biss einer neuen Perspektive zu spüren ist?
Was man der Platte dabei zu Gute halten muss, ist der Umstand, dass sie in Summe dennoch nie derart in die Gülle greift, wie es die dritte Single I Want It All ungefähr dort tut, wo The Killers mit einem bemühten Nirvana-Refrain in einen biederen Hardrocker gepfercht haben.
Okay, das von Grammy-Preisträgerin Jennifer Decilveo eingekaufte Titelstück ist mit lauerndem Americana-Pastiche und pathetischer Stadion-Mentalität, die selbst Biffy Clyro-meets-Billy Talent zu anbiedernd wäre, ist auch gefährlich nahe an dieser Untiefe dran. Und die kitschige 08/15-Acoustic-Ballade Gold Long Gone, deren nichts hängend lassende Austauschbarkeit mit cinematographischen Effekten und Streicher-Arrangements kaschiert werden soll, bis das Ende abrupt abgedreht wird, hätte es auch nicht unbedingt gebraucht.
Als Epitome des restlichen Verlaufs kann aber viel eher der souveräne Opener Nod als gediegener Rocker herhalten: eine Nummer, wie Rise Against sie früher vielleicht als dritter Stelle der Tracklist eines typischen Rise Against-Album platziert hätten, um das Tempo einer rasanten Eingangsphase herauszunehmen. Das Ricochet hier, wie auch ganz allgemein, jedoch schwerfällig klingt, als würde die Band mit angezogener Handbremse Gas geben, ist ebenso exemplarisch.
Der dahinter angehängte Alternative Rock-Rest ist deswegen nicht unbedingt schlecht, aber langweilig und uninspiriert.
Das schunkelnde Damage Is Done agiert mit zwanglosen Hooks und Melodien ebenso gefällig und eingängig wie egal. Us Against the World fängt den vage bleibenden Schatten des aufrührenden Gefühls, gehen alle Widrigkeiten für seine Ideale einstehen zu müssen. Andy Hull bringt dem netten Black Crown zwar mehr Atmosphäre bei, doch lernt man simultan dazu auch, wie wenig Intensität (der vom übersättigten Sound schockierend kontraproduktiv ausgebremste, aber wohl näher bei seinen mittlerweile schaumgebremsten Live-Fähigkeiten abgelichtete) Sänger McIlrath und seine Band mittlerweile erzeugen. Auch dass (nach dem zu langen Sink Like a Stone) die theoretisch fetzende Leadgitarre in Forty Days so absurd weit in den Hintergrund gestellt wird, dass sie kaum noch wahrnehmbar ist, trägt zur handzahmen Gangart der Platte bei. Und in State of Emergency spürt man förmlich, wie mühevoll und leidselig der Band die Punkrock-Pflicht hinter dem im Stadion stampfenden „Ohohoooo“-Stammesritual im Acoustic-Gewand von der Hand geht – vielleicht wird die Nummer deswegen derart unvermittelt der Strom abgedreht?
Danach findet Ricochet mit dem Melodic Hardcore im Schlafwagen von Soldier sowie dem soliden, aber zu schnell wieder vergessenen Prizefighter ein unspektakuläres wiewohl versöhnliches Ende, das aber (zumindest für Fanbrillenträger, die irrationalerweise auch Wertungspunkte aufrunden) die These zulässt, dass eine weniger beschissene, griffiger in den Arsch tretende Produktion aus dem vorhandenen Material dann selbst als Paradigmenwechsel doch eine halbwegs okaye Rise Against-Platte herauskitzeln hätte können.
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