Spiritualized – And Nothing Hurt

von am 18. September 2018 in Album

Spiritualized – And Nothing Hurt

Jason Pierce alias J. Spaceman hat knapp sechs Jahre nach Sweet Heart, Sweet Light endlich wieder ein neues Spiritualized-Album fertigbekommen, dabei aber für And Nothing Hurt – dem Titel irgendwie zu konsequent Folge leistend – zu viele Sedativa in den psychedelischen Stimulanzien erwischt.

Anders ist es zumindest kaum zu erklären, weswegen Spaceman sich damit begnügt, über den Opener A Perfect Miracle mit einem ziemlich belanglosen Wiegenlied-Update für Ladies and Gentlemen We Are Floating in Space (I Can’t Help Falling in Love) zu begrüßen, das mit Banjo im tragenden Mittelpunkt einerseits das vergleichsweise sparsam auftretende, natürlich trotzdem mit Pauken und Trompeten in die Größe strebende Wesen der achten Spiritualized-Platte andeutet, andererseits als verhalten jubilierender Walzer unter dem romantischen Sternenmeer auch ganz generell das schwelgende Wesen von And Nothing Hurt vorwegnimmt.
Über weite Strecken vertändelt sich die Platte in balladesker Gefälligkeit, tagträumt durch eine elegisch wattierte Komfortzone, die vielleicht nur entstehen konnte, weil Spaceman die Platte aus Geldmangel über die letzten Jahre im Alleingang im stillen Kämmerlein am Laptop zusammenbasteln konnte, anstatt auf die Dynamik realer Personen setzen zu können, die eventuell für ein wenig mehr Kantigkeit sorgen hätten können und die 49 Minuten dieser permanent nach Wohlklang und schier übermannender Schönheit strebenden Platte ein wenig mehr Biss und weniger weihevolle Selbstzufriedenheit verpassen hätten können.

Auch bleibt der Grad an Abwechslungsreichtum des Songwritings überschauber. I’m Your Man schunkelt im Schatten einer fiktiven Big Band und hat ein elegantes Solo parat, und Damaged ist eine melancholisch-bluesige Quasi-Miniatur, die wie auch das schlaftrunkende The Morning After immer die Hymne im Visier haben. Here It Comes (The Road) Let’s Go tändelt dafür endlos und mit vager Oasis-Referenz, während Let’s Dance sich bei Beach Boys bedient und Brian Wilson über liebenswertes Pianogeklimper Tribut zollt, das immer weiter in die Breite wächst. Ob das von weichen Chören getragene, abschließende Sail on Through eine seit jeher existierende Alternative zu It’s All Over Now, Baby Blue ist verschwimmt ohne klare Kontur vor dem inneren Auge.
On the Sunshine lässt in dieser Gleichförmigkeit zumindst ansatzweise aufhorchen, ist verspielter und rhythmisch munterer auf Drone-Versatzstücke gebaut, löst hinten raus sogar die Handbremse. Trotzdem fällt Spaceman auch hier in seinen typischen MO, archetypisch arrangiert: Bläser, Streicher, Chöre – wobei der Opulenz plattenübergreifend stets gelingt, nicht zu pompös oder überladen zu agieren.
The Prize wiederum steht als zauberhafte Entschleunigung stellvertretend für den zeitlosen Charakter der Platte, der viele Details in der unaufgeregten Produktion wachsen lässt, funktioniert aber vor allem als wehmütiges Stück Sehnsucht auf emotional-nostalgischer Ebene – nicht immer will das And Nothing Hurt nämlich gelingen.

Das achte Studioalbum von Spiritualized ist schließlich ein ambivalenter Fall. Ohne tatsächlichen Ausfall in der Trackliste ist die Platte unheimlich angenehm zu hören, betört gerade im Hintergrund laufend mit friedlicher Eleganz und lässt in ihrer wärmenden Fürsorglichkeit verlieren, zu der Spaceman tröge und maximal angepasst säuselt. Direkte Intensität oder wirklich packende Eindrichkeiten wollen sich dabei jedoch niemals zeigen, weswegen And Nothing Hurt gerade am Stück zu einer auslaugenden Angelegenheit wird.
Man kann sich in jedes Stück hier hoffnungslos verlieben, durch die unerschöpflich Welten dieser umarmenden Anmut treiben und den Reigen dennoch frustriert verlassen, weil ohne Megalomanie oder Ausbrüche das Gesamtpacket in seiner wundenleckenden Belanglosigkeit schlichtweg viel zu unverbidnlich tändelt: Alle aufgefahrene Masse hier ist federleicht, jede Gewichtigkeit zu flüchtig und die Substanz hinter der Anziehungskraft zu wenig überwältigend. Das ist Jammern auf hohem Niveau, aber alleine insofern schade, weil an sich weiterhin nichts sonst da draußen die charakteristische Schönheit von Spiritualized aufwiegen kann. Selbst, wenn Spaceman eben gar nicht mehr wehtut.

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