The Joy Formidable – Hitch

von am 15. April 2016 in Album

The Joy Formidable – Hitch

Sollten Biffy Clyro dieses Jahr wider Erwarten nicht genug Hits und Hymnen für die Massen des Alternative Rock im Köcher haben, The Joy Formidable wären bereit mit Hitch adäquat einzuspringen – mit hübsch aufgeblasenen Power-Stadionsongs, die die Kirche ohne auf exzessiven Pomp zurückgreifen zu müssen im Dorf lassen. Was macht es da schon, dass sich die Platte seiner Klasse dabei schon zu sehr bewusst ist und ein bisschen weniger dadurch mehr gewesen wäre?

Das Problem ist vielleicht eher die Art und Weise, mit der das walisische Trio seinem dritten Studioalbum den Feinschliff verpasste, nachdem man erstmals in völliger Autonomie und ohne maßregelnde Produzentenhände schalten und walten konnte: Rein ins Auto, die Anlage aufdrehen und zu all den schmissigen Ohrwürmer auf Hitch umherdüsen.
Bei diesem zusätzlichen Plus an Dynamik für die Wahrnehmung (neben den Freiheiten in einem Entstehungsprozess, der die Chemie innerhalb der band schon beinahe zu reibungslos einfängt) ist es durchaus verständlich, dass Joy Formidable in der Selektion wohl ein wenig betriebsblind geworden sind und dazu schlichtweg übersehen haben, dass Hitch seinen Songs einfach generell zu viele Ausflüge in der Performance zugesteht, den Fokus abhanden kommen lässt und manche Ausreißer wie das behäbig um seine fast schon nervige Grundmelodie stacksende The Last Thing on my Mind regelrecht ziellos mäandern. Auch ein The Brook wiederholt inmitten sehnsüchtiger Soli seinen Refrain einfach über Gebühr, während das knapp siebenminütige Running Hands with the Night sich  in seinen progressiv-orientierungslos tändelnden Spannunsbogen zu verlieren droht. Diese gar zu schwadronierende Gangart sorgt zwar nie für wirklichen Leerlauf, schaltet bei einigen Längen aber vor allem in der deutlich schwächeren zweiten Plattenhälfte doch immer wieder gefährlich nahe zum nicht zum Punkt kommenden Durchzug.

Mit einigen Straffungen hätte Hitch seine immensen Qualitäten durchaus imposanter destillieren können – abseits der potentiellen B-Seite Fog (Black windows) gelingt Joy Formidable im dritten Anlauf aber auch so kein schwacher Song, sondern (alleine in der bärenstarken Eingangsphase) viel eher ein Schaulaufen einiger der besten Nummern ihrer Karriere.
Im eröffnenden A Second in White wird in der Strophe etwa mit martialischer Dynamik nach vorne getrieben, nur um im Refrain umso hymnischer aufzumachen, bevor Radio of Lips die beiden Pole noch näher zusammenführt, mit seinem kurbelnden Bass wie ein verloren gegangener U2-Epos klingt, der sich einfach den Raum nimmt und gönnt, der das expandierende Selbstbewusstsein einer Band nach einer Platte wie Wolf’s Law widerspiegelt. Liana addiert in seiner weniger drückenden Ausrichtung ein bestechendes Maß an melancholischer Tiefe, bevor It’s Started sich mit tollem Jam-Beginn warmgroovt und eine rohe Direktheit im Sound beschwört, die Hitch so leider eigentlich gar nicht mehr provoziert.
Die Akustikballade Underneath the Petal fällt da zwar stilistisch aus dem Rahmen, passt aber zum weichen Sound, entfaltet sich in dem verschwitzen Rockprogramm und neben all den demonstrativen Ohrwürmern aber ganz wunderbar mit Piano und Flöte zur Folkannäherung, bevor Don’t let me Know als wunderbare Akustikballade nicht nur irgendwann plötzlich den Bogen zu A Second in White spannt (und damit auch vorführt, wie in sich geschlossen und schlüssig durchkonzipiert Hike in seiner Gänze trotz seiner zu langen 66 Minuten Spielzeit letztendlich doch funktioniert),  sondern auch noch ein symphonisches Crescendo für das Power Trio findet, dass dieser Platte letztendlich würdig ist. Über allem steht dennoch das intime Herzstück The Gift – ausgerechnet wenn Ritzy Bryan die Leadvocals an ihren Ex Rhydian Dafydd Davies übergibt und die Nummer als traurig durchatmendes Kleinod aus nachdenklich-monoton angeschlagenen Pianotönen hin zum herzlich käsigen Classic Rock Solo-Erguss treibt, gelingt Joy Formidable der Weg zu großen Emotionen am direktesten. Wenn damit nicht endgültig der Durchbruch gelingt…

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