Arliss Nancy, 7 Years Bad Luck, James Choice [10.2.2013 Sub, Graz]

von am 12. Februar 2013 in Featured, Reviews

Arliss Nancy, 7 Years Bad Luck, James Choice [10.2.2013 Sub, Graz]

Tust du’s, ist es schlecht, lässt du’s, dann erst recht”. Dieses Paradoxon, einst von Bart Simpson geprägt, hatte wohl selten mehr Daseinsberechtigung als an diesem winterlichen Sonntag. Der Alkohol (oder wenigstens dessen Nachwirkungen) bemächtigte sich in Graz nämlich wieder einiger glücklich Auserwählter in den Reihen der Konzertbesucher wie so manch aufspielender Band. Gleichwohl unterstrich dieser Dämon mit großer Macht ein weiteres Mal seine Relevanz als Ursprung wie Lösung sämtlicher Lebensprobleme.

Zugegeben, es schien zunächst nicht viel Ermutigendes zu sein, dessen das Auge habhaft werden konnte: Vielen unter den Musikern steckte noch merklich die Party des Vortags in Innsbruck in den Knochen und die Zahl der Anwesenden war überschaubar. Unter dem Aspekt betrachtet, dass es heute noch einen Geburtstag zu feiern galt, hatte das ganze Drumherum jedoch auch etwas arg heimelig-Familiäres, also sogar mehr als sonst, wenn man das Sub betritt, und das will was heißen.

So gaben sich die Künstler über die Länge ihrer Sets eher wortkarg, ließen lieber die Musik sprechen und taten äußerst gut daran. Das ging schon bei Puddel alias James Choice samt für die Tour frisch hinzugekommener Backingtruppe los. Ein ansprechendes Fundament aus Indie-Pop, Folk-Punk und ein bisschen Doo-Wop gepaart mit der charismatischen Stimme des Exil-Salzburgers (oder je nach Betrachtungsweise auch Wahl-Engländers) wurde da geboten. Die Hintermannschaft, bestehend aus Leuten von The Liberation Service, Astpai und Candy Beat Camp, verpasste den in Solodarbietung schon sehr guten Songs noch eine zusätzliche Portion Drive. Somit verging  eine gute halbe Stunde Spielzeit mit kleinen Witzeleien zwischendurch wie im Flug und das Publikum honorierte die im Sound zuweilen wie eine sympathische Schnittmenge der Weakerthans und Frank Turner anmutende Show mit gebührendem Applaus.

Dann 7 Years Bad Luck , die von allen Beteiligten den vermeintlich schwersten Stand gehabt hätten, wäre das heute ein Tag wie „jeder andere“ gewesen. Stattdessen gehen sie, gut geölt und gut gelaunt, voll in ihrer Rolle als gut geölte und gut gelaunte Pop-Punks mit einprägsamen Hooklines und Anheizer für Arliss Nancy auf. Über den einen oder anderen Verspieler kann man sich streiten, muss aber nicht sein. Ein neues, feines Lied gabs schließlich auch und das Bracket-Cover bestätigte nur wiederum auf charmante Art und Weise: Ein Konzert gespielt von Freunden für Freunde, vereint in ihrer Liebe zu guter und ehrlicher Musik.

Freundschaft, Liebe, Ehrlichkeit: Alles Schlagwörter welche die anschließend die Bühne betretenden Arliss Nancy aus Fort Collins, Colorado dann fast zu unverschämter Perfektion treiben. Von Beginn an lässt der sich rein äußerlich im kompletten Understatement übende Ami-Fünfer Lieder vom Stapel, die hinsichtlich Songwriting und Instrumentalleistung (Gesang!) mindestens in einer Liga mit den Frühwerken von Gaslight Anthem anzusiedeln sind, ja sie meist sogar übertreffen. Da kann Brian Fallon sich mittlerweile so schöpferisch hervortun, wie er will; diese Jungs vermitteln definitiv mehr Authentizität und wirken zudem durch die Bank als Einheit. Kein individuelles Profilieren in den Songs, jeder ist gleichermaßen wichtig für die Band in ihrer Gesamtheit. Bemerkenswert ebenfalls, wie das Keyboard nicht nur zu schmuckem Beiwerk verkommt, sondern auch mal federführend ist im Klangbild, welches im klassischen Country/Rock seine Wurzeln hat. Darüber hinaus pendelt das Material von Arliss Nancy zwischen Punk n‘ Roll der Marke Hudson Falcons oder Ducky Boys bis hin zu Momenten der Trinkermelancholie, die eher spätere Samiam in den Sinn kommen lassen.

Kenner der genannten Gruppen sollten spätestens jetzt wissen: Hier spielt jemand im kleinen Rahmen ganz groß auf. Hier wird ohne viel Aufwand ein Wechselbad an Emotionen transportiert, von den begeisterten Zuschauern dankend aufgenommen und unverfälscht wieder zurückgegeben. Hier sind Leute, die dich in den Arm nehmen, wenn es notwendig ist. Die erst gar nicht versuchen, dir eine schlimme Situation schönzureden. Die einfach nur zuhören und am Ende dann sagen: „Keine Angst, ich bin da. Das wird schon wieder“. Und viel mehr braucht es auch oftmals auch gar nicht, um aus dieser eigentlich recht unwirtlichen Welt ein einigermaßen lebenswertes Plätzchen zu machen. So endete dieser Konzertabend für mich mit dem Vertrauen darauf, mit den anderen Menschen im Raum auch ohne großen Wortaustausch den einen gedanklichen Konsens ziehen zu können: Musik verbindet! Und von Arliss Nancy wird man hoffentlich noch viel Musik hören.

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