Billy Strings – Me ​/ And​ / ​Dad

von am 26. November 2022 in Album

Billy Strings – Me ​/ And​ / ​Dad

Father and Son: Für Bluegrass-Superstar Billy Strings ging es bis zu seinem vorläufigen Meisterstück Renewal seit Jahren mit Grammy-Gewinn, ausverkauften Arena-Touren und Hobbit-Festspielen ausnahmslos und beständig schneller bergauf. Zeit also, um mit Me / And / Dad den Fuß vom Gaspedal zu nehmen und sich auf  (familiäre) Wurzeln zu besinnen.

Als William Lee Apostol zwei Jahre alt war, starb sein biologischer Vater an einer Überdosis Heroin. Seine Mutter heiratete später Terry Barber, einen lokalen Bluegrass-Musiker, der seinem Ziehsohn nicht nur das Gitarrenspiel und die Liebe zum Country beibrachte: „Terry raised me and taught me how to wipe my ass, tie my shoes, and play guitar. That’s my fucking dad!“ sagt Billy.
Auch wenn die Familie daraufhin mit einigen Problemen zu kämpfen hatte – die Eltern verfielen der Methamphetamine-Sucht, weswegen William sein Zuhause im Alter von dreizehn Jahren verließ, jedoch in Folge selbst mit harten Drogen und dem Alkohol rang – fand man letzendlich wieder zusammen und Strings‘ kometenhafter Aufstieg vom Wunderknaben zum Szene-Meister nahm seinen konstanten Lauf. Trotzdem blieb stets ein unerfüllter Wunsch hintenan: „As long as I can remember, I wanted to make a record with my dad. I’ve been burning up and down the highways the last 12 years, and as time slips away, you start thinking, ‘I need to make time.’ It’s been a bucket list thing for me, something I’ve been afraid I wouldn’t find the time to do. And that scared me; not doing this record scared me.

Mit dem Triumph um Renewal im Rücken, während unzähliger US-Gigs und justament vor seiner ersten (viel zu knapp bemessenen) Europa-Tour, will Strings nun keine Risiken mehr eingehen und gach den Moment verpassen, weswegen er seinen Dad Terry als gleichgestellten Kooperationspartner ins Studio geholt hat, um mit ihm jene Songs aufzunehmen, die die beiden schon seit Billy’s Kindheit begeistern: Stücke von (oder bekannt gemacht durch) George Jones,  Doc Watson, Hank Thompson, A.P. Carter, den Oak Ridge Boys oder The Judds werden von Vater und Sohn ebenso wie Country-Standards oder Traditionals in den Bluegrass übersetzt – und das auf (für Jam-Nerd Strings doch) erstaunlich konventionelle Weise; simpel und straight, vergleichsweise unspektakulär und kompakt.
Dafür lässt der 30 jährige Junior auch seine eigene virtuose Band pausieren und holt für den Augenblick einige Veteranen und Traditionalisten aus Nashville und Umgebung an Bord (Fiedler Michael Cleveland, Dobro-Mann Jerry Douglas, das Travelin‘ McCourys-Trio Jason Carter, Ron McCoury und Rob McCoury an Fiedel, Mandoline und Banjo, sowie Bassist Mike Bub) – was natürlich rein instrumental für eine Platte sorgt, die als pures Hörvergnügen mit der Zunge schnalzen lässt. (Zumal Strings das Rampenlicht sowieso wie selbstverständlich immer gerne teilt – wohl eine der Tugenden, die er von den Platten mit Don Julin mitgenommen hat).

So vermittelt das Ergebnis den authentischen Liebhaberprojekt-Zauber einer geteilten Herzensangelegenheit, an dem natürlich primär die zwei Hauptdarsteller ihre merkliche Freude haben. Dennoch reicht das Ergebnis nicht ganz an die meisterhafte Genialität von Strings‚ bisherigen Solo-Alben heran.
Bis zum friedlich-unaufgeregt so munter und zielstrebig agierenden, alle Instrumente gleichberechtigt in Szene setzenden Instrumental-Zwischenstück Peartree gerät etwa das Sequencing und Pacing der Platte insofern zu vorhersehbar, weil Billy (zuständig für die flott-beschwingten Stücke Long Journey Home sowie das mit grandiosem Gitarrenspiel aufwartende Way Downtown) und der leicht brüchig mit wettergegerbter Stimme sehr angenehm singende Terry (zuständig für die gemächlich schippernden Nummern wie Life to Go sowie das nostalgisch und verträumt durch die Romantik schwofende Little Blossom) sich als Leader und Taktgeber jeweils abwechseln.

Auch danach schaltet die Platte alleine zwischen diesen beiden Geschwindigkeiten, wirft dabei aber die Schmankerl variabler gereiht ab – etwa den zurückgenommen schunkelnden Western Stone Walls and Steel Bars, das zügigere Little White Church (weil sich die – leider viel zu selten eingesetzten – Harmoniegesänge der beiden auch ohne virtuoses Brimborium einfach mit einer so fantastisch gewachsenen Natürlichkeit ergänzen), der Ohrwurm Dig a Little Deeper (In the Well), das ohne Gesang auskommende Appalachen-Intermezzo Frosty Morn oder vor allem das absolute Highlight John Deere Tractor, in dem Strings vor wehmütiger Sehnsucht nach dem familiären Umfeld trauernd einmal mehr zeigt, wie grandios ihm die entschleunigten Nummern stehen und was für ein grandioser Sänger der Edeltechniker längst ist.
Dass das Mikrofon im Finale danach Terrys Gatting und Williams Mutter Debra Barber überlassen wird – die in der plätschernden Familienzusammenkunft I Heard My Mother Weeping mit inbrünstiger Amateur-Hingabe ihre vielleicht per se weniger starke als sonore Stimme etwas zu aufdringlich einsetzt – sorgt für einen absolut stimmigen Abschluss: Me / And / Dad muß sich (für den die Diskografie im Ganzen bewertenden Fan) nicht nach einer durch und durch essentiellen Platte anfühlen, weil zu jedem Zeitpunkt offenkundig ist, dass ihr Wert für die involvierte Familie ohnedies kaum groß genug bemessbar scheint.

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