Calexico – Algiers

von am 12. September 2012 in Album

Calexico – Algiers

New Orleans anstelle von Tuscon sollte es diesmal sein. Das vielleicht einzig überraschende an der siebten Platte von Joey Burns und John Convertino ist die Erkenntnis, dass Calexico-Alben immer ausschließlich nach Calexico-Alben klingen, ganz egal, wo sie letztendlich geboren werden.

Algiers‚ trägt die Referenz an den Stadtteil von New Orleans also deutlicher sichtbar im Titel (und stilisiert im Artwork), als zu irgendeinem Zeitpunkt seiner 47 Minuten. Statt Blues, Jazz und Co. aus dem Big Easy in ihren Sound zu implementieren,  gibt es altbekannte Calexico in Reinform: sanfte Tex-Mex Rocker also, entspannter Americana-Stücke samt Mariachiklängen, offene Lap-Steel- und Western-Gitarren, das Schlagzeug mit wohlige Wums auf der Kickdrum und viel Besen überall sonst. Das vorab bekannte ‚Splitter‚ ragt deswegen auch weniger wegen einer R&B-Bläsersektion aus ‚Algiers‚ hervor, weil diese ausnahmsweise nicht klingt, als würde sie von in Charros gewandeten, der Glut der Mittagssonne trotzenden Männern gespielt werden – sondern weil Calexico hier etwas zu bemüht versuchen, ‚Algiers‚ einen herausragenden, flotten Hit zu bescheren, den die Platte im Grunde aber ohnedies nicht benötigt. Denn wirklich an Tempo gewinnen Calexico auf den restlichen Songs höchstens noch für das galoppierende ‚Puerto‚ und schöpfen die Stärke auf ‚Algiers‚ mehr denn je aus der Variation ihres ureigenen Stils im gemächlichen Gang. Dabei darf schon wieder mehr Rock anstelle des zuletzt bevorzugten Folk den Grundstock der Songs bilden.

Fortune Teller‚ macht mit seinen zärtlichen Chören so alles richtig, was The Shins auf ‚Port of Morrow‚ zu wenig berührend inszeniert haben, ‚Epic‚ kündigt ohne Hast schon zu Beginn seinem Titel entsprechend von Großem. Dem verrucht aber elegant tänzelnden Tango von ‚Sinner in the Sea‚ mischen Calexico unaufdringliche Horror-Orgeln und kubanischen Voodoo bei, während Burns mit samtweicher Stimme den hoffnungslos Liebenden gibt. Der Titeltrack manifestiert sich als der unvermeidliche Instrumentalsong, ist aber weitaus weniger angriffslustig, als der spannungsgeladene Rhytmustiger angibt. Wenn ‚No Te Vayas‚ dann aufzeigt, dass die Grenze zu Mexico auch von New Orleans weiterhin bloß einen Münzwurf entfernt ist, sollte endgültig klar sein, dass hier weitestgehend alles beim alten ist. Nüchtern betrachtet also „nur“ neue Calexico-Songs, die sich mit zärtlichem Wohlfühlfaktor gefallen. Nahezu unscheinbar schleichen sich effektiv arrangierte Melodien an, drücken das Verlangen von ‚Algiers‚ nach Anmut und Frieden mit unterschwellig brodelnder Spannung aus. Vielleicht hat New Orleans in dieser Weisse doch stärker abgefärbt, als man annehmen möchte.

Das bittersüße, pianoverliebte ‚Maybe on Monday‚ steht damit exemplarisch für die sehnsüchtige Verletzlichkeit der Platte, ihren wärmenden Wehmut, ihre in sich gekehrte Dynamik, die notwendige Nachdrücklichkeit: „Say a little goodbye to your Love„. ‚Algiers‚ wirkt dennoch weniger vielschichtig als es Calexio auf ihren besten Alben waren, dafür verstehen Convertino und Burns es mittlerweile vielleicht besser denn je – sogar zu routiniert – äußerst kurzweiliges und abwechslungsreiches in ansprechendem Maße zu verpacken – die Strahlekraft früherer Tage erreichen Calexico damit trotz aller Sympathiepunkte nicht. Ausbrüche nach oben finden so in einer gewissen Gleichförmigkeit nicht statt, dafür herscht ein durchgängig hohes Niveau ohne Ausfälle. Im neuen Umfeld sei mit ‚Algiers‚ das erste Album seit dem Debüt entstanden, das Calexico völlig befreit einspielen konnten, heißt es. Es ist aber auch das sechste seit dem Debüt, dass die frühvollendeten Calexico in Reinform zeigt. Was wunderbar ist. Aber eben auch ein bisschen überraschungsarm. Da hätte man sich von New Orleans etwas mehr Färbung gewünscht, als bloß revitalisierer Faktor zwischen den Zeilen im Songwriting zu sein. Anstelle der freundschaftliche Romanze in gewisser Weise stattdessen als leidenschaftliche Liebe.

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