Christopher Bear & Daniel Rossen – Past Lives

von am 20. Juli 2023 in Soundtrack

Christopher Bear & Daniel Rossen – Past Lives

Das Grizzly Bear-Duo Daniel Rossen und Christopher Bear arbeiten nach You Belong There gleichberechtigt am wundervollen Soundtrack zum Celine Song-Debütfilm Past Lives zusammen.

Immer wieder erinnern die bittersüß melancholischen, in sanfter Anmut erwachenden Skizzen und Fragmente des Scores an das famose 2022er Soloalbum von Rossen, auf dem Bear ja eine tragende (Schlagzeug)-Rolle spielte: In der Klavier-Träumerei Across the Ocean mit ihren freischwebenden Streicher-Arrangements etwa, auch das nach konventionelleren Soundtrack-Mustern gestrickte, tröstend-erhebende Eight Thousand Layers. Crossing II lüftet den Raum mit fast sakraler Andacht und zupft die Saiten im schummriger Spiritualität, derweil In Yun wie ein sedativer Talk Talk-Fiebertraum von Grizzly Bear erscheint, und We Live Here sowie Bedroom angenehm meditativ plätschernd mit heimlicher Jon Brion-Sehnsucht der fernöstlichen Traurigkeit frönen. Why Are You Going to New York und An Immigrant and a Tourist bieten als deutlichste Überschneidung sogar so absolut typisches (warmes, weiches) Rossen-Gitarrenspiel, addieren jedoch ein latentes Grenzland-Wüsten-Flair in elegisch vertrauter Entfremdung, mäandernd schippernd wie der instrumental angejazzte Nachhall zu You Belong There auftretend.

Um diesen Kern bewegt sich Past Lives frei und mit geradezu ambienter Beiläufigkeit, deren unwirkliche Schönheit selten explizit greifbar wird und die beiden Musiker nur selten zu ihren angestammten Instrumenten – den Drums und der Gitarre – greifen lässt.
Im astralen If You Leave Something Behind perlen Synth-Subtilitäten und das neugierige Crossing plätschert zurückhaltend schunkelnd über einem Meer aus dezenten Bläsern. You Gain Something Too könnte eine vage Klanginstallation von Sigur Ròs oder Mùm sein, Do You Remember Me mit seinen von Verhalten romantischen Streichern angetauchter Kammermusikalität beinahe tänzelnde Folklore. I Remember You klimpert in somnambul flackernder im Collagen-Halbschlaf als bezaubernd phasenverschoben aufflackernder Pointillismus der Erkenntnis.
Die kosmische Trance Staring at a Ghost bewegt sich ebenso in formoffener Struktur wie See You und lässt Past Lives als Ganzes auch ohne die dazugehörigen Bilder des Films funktionieren, wiewohl eben eher ästhetisch einnehmend, nebensächlich einwirkend und unaufdringlich gefallend – dies aber umso tiefenwirksamer die Imagination in einer gütigen Wohlfühlzone ankurbelnd.

Am deutlichsten sticht insofern das abschließende Quiet Eyes hervor – ein neuer Song von Sharon Van Etten. Grazil und unaufgeregt bettet sie das Stück in eine elegante orchestrale Ausstattung, hauchend um einen subversiven Ohrwurm schwelgend, der später etwas jubilierendes bekommt und sogar eine verhalten bratzend rockende Gitarre in den Hintergrund schwindelt, was den erst unscheinbaren Grower Quiet Eyes auch über des Status eines sehr gelungenen Standards hebt.

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