Cold Specks – I Predict a Graceful Expulsion
In England strandet momentan offenbar alles, was mit großer Soul-Stimme ausgestattet seinen eigenen Kopf durchsetzen will. Abseits von Adele, Michael Kiwanuka und Co. braut sich die 23 jährige Exil-Afro-Kandadierin Al Spx jedoch ihr ganz eigenes Stilgemisch auf und nennt das dann: Doom Soul.
Mit der eigenwilligen Genredefinition schrammt Spx letztlich gleichermaßen am Versuch, das mit Spannung erwarteten ‚I Predict a Graceful Expulsion‚ zu charakterisieren vorbei, wie sie den speziellen Sound ihres Debütalbums doch auch auf den Punkt trifft. Denn Doom findet hier in jenem Sinne statt, dass die versammelten elf Songs tatsächlich eine nicht unverfängliche Grundfinsternis mitbringen, eine drückende, unterschwellige Dringlichkeit vermitteln. Doch ist es keine walzende Schwere, die ‚I Predict a Graceful Expulsion‚ innewohnt – wo Melodramatik stattfinden darf, muss noch lange keine Verzweiflung wurzeln. Viele eher atmen die Stücke befreit auf, sind oftmals nicht mehr als ein karg reduziertes Gerüst aus Piano, Schlagzeug und Akustikgitarre. Im Mittelpunkt steht klar Spx‘ Stimme, dessen ist sich nicht zuletzt Produzent Rob Ellis bewusst. Er reiht selbst sakral aufgeschachtelte Backgroundchöre wie jene in ‚Winter Solstice‚ oder ‚Send your Youth‚ hinter das rauchig kraftvolle nach Alter klingende Jugendorgan, lässt niemals einen Zweifel daran, wer am Ende ganz oben sein wird, wenn sich ‚I Predict a Graceful Expulsion‚ in seinem Verlauf immer wieder übermächtig aufzubäumen beginnt, seine sehnigen Muskeln anspannt wie im rebellisch-stampfenden ‚Holland‚, wo orchestral angeheizte überlebensgroße Szenarien das spärliche Grundinstrumentarium überlagern.
Die meiste Zeit über lehnt sich das durch zahlreiche Erfüllungsgehilfen gestützte Bandprojekt Cold Specks jedoch gefühlvoll zurück, schwebt getragen durch lose zusammengeschweißte Verweise aus unterkühltem Südstaaten-Bluesmusik und zeitgerechtem Indierock, bringt Referenzen von Odetta bis zu den Noisettes unter einen Hut, geht dorthin, wo es Norah Jones zu ungemütlich ist und Adele zu wenig eingängig. Dass ‚I Predict a Graceful Expulsion‚ auf einschlägigen Versandhäusern zum gemeinsamen Kauf mit den jüngsten Alben von Kate Bush und Alabama Shakes angepriesen wird, ist kein gravierender Irrtum: Vor allem mit der Rockband aus Alabama teilt Cold Specks die Einstellung, dass Kompositionen nicht unbedingt klare Ziele im Spannungsfeld Gospel, Soul, Blues und Rock abstecken müssen, wenn sie starke, aussagekräftige Stimmen haben, um die sie sich drehen und wenden können. Für ‚I Predict a Graceful Expulsion‚ bedeutet dies jedoch auch, den Albumfluss verstärkt zu forcieren, die einzelnen Songs fließen elegant ineinander über, das Album verwächst abseits der natürlich vorhandenen, herausragenden Nummern wie es etwa das Vorabversprechen ‚Blank Maps‚ eine ist, zu einer tief verschworenen, homogenen Einheit; zu einem immer neu anlaufnehmenden Gottesdienst der unausgesprochenen Unheilsverkündung. Die großen Momente, sie kündigen sich im Minutentakt an und winden sich doch so geschickt wieder durch die Finger, bevor sie greifbar werden. ‚I Predict a Graceful Expulsion‚ erstürmt Gipfel, ohne nach den Sternen zu greifen. Das schmerzt nicht ausreichend, letztendlich aber genug, um wenig rührselig der unbedingten Traurigkeit anheim zu fallen. Es findet sich keine Erlösung in den anmutigen Wehklagen der jungen Songwriterin, nur noch mehr Fragen. „I’m a God damn believer!“ wird zum wenig tröstenden Mantra, und doch ist ‚I Predict a Graceful Expulsion‚ letztlich ein verstörend hoffnungsbringendes Werk geworden.
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