Conor Oberst – Ruminations

von am 20. Oktober 2016 in Album

Conor Oberst – Ruminations

In der verschneiten Einsamkeit von Omaha findet Conor Oberst nicht nur Erholung von den Strapazen der abgebrochenen Desaparecidos-Tour, sondern nach einer veritablen Sinnkrise samt Schreibblockade auch eine überraschende Fülle an therapeutischen Folk-Kleinoden.

Was also tun, als das plötzlich doch aus einem heraussprudelnde Material einfach so wenig umständlich wie möglich aufzunehmen? Dachte sich auch Oberst und begann in den ARC Studios mit ein klein wenig Hilfe von Mike Mogis aufzunehmen. Zwei Tage dauert es schließlich, bis Ruminations in Eigenregie eingespielt im Kasten ist. Und bald darauf ein Cover dazu gefunden war, dass die Unmittelbarkeit und Simplizität der Platte ideal transportiert: Oberst lässt sich in die reflektierende Zurückgezogenheit fallen, vertraut ganz auf sich alleine, und beschränkt sich auf ein spartanisches Instrumentarium – Gitarre, Piano und Harmonika genügen, um die 10 genügsamen Songs innerhalb von 48 Stunden aufzunehmen.

Ruminations inszeniert seinen den inneren Dylan findenden Folk dabei wenig zurückhaltend, aber spartanisch ausgeleuchtet und vor allem endlich wieder mit einer unprätentiösen Unmittelbarkeit, die Obersts zu Platten nun schon längere Zeit abgegangen war – eine gewisse Einsamkeit und Nebraska gehen offenbar zwangsläufig Hand in Hand, beschränken sich auf das Wesentliche und lassen das fragile Innenleben des Songwriters zum Kern der Dinge vordringen.
Der puristische Fokus, das Entschlackte, die relative Ungeschliffenheit dieser intim und emotional schürfenden Kompositionen – all dies steht den 38 Minuten jedenfalls hervorragend und vermittelt ein angenehmes Gefühl der Heimkehr. Ohne jeden Ballast ist der Blick klar auf wunderbar simple Melodien und Obersts so brüchige, melancholische Präsenz und eine sanfte, nur zu sich selbst schonungslose Klinge: „Early to bed, early to ­rise/ Acting my age, waiting to die„.

Diese Balance kaschiert zu weiten Teilen auch eine gewisse Gleichförmigkeit, die durch die minimalistische Herangehensweise natürlich ohnedies zwangsbedingt ist; die weniger zwingenden Momente gehen in der gedankenvollen Kurzweiligkeit dagegen beinahe unter. Dennoch: Hinter einer gewissen Gefälligkeit geht Ruminations das aufwühlende, überwältigende Momentum der besten Oberst-Geniestreiche ab.
Was Ruminations dafür bietet, ist eine so unabgelenkte wie bekömmliche Sicht auf ein ausfallfreies Songwriting – und einige der schönsten Szenen, die dem 36 Jährigen seit langer Zeit gelungen sind. Schon die versöhnliche Pianotraurigkeit Tachycardia übertreibt es zwar gelegentlich mit ihren elaboriert aufzeigenden, generisch arrangierten Harmonika-Ausschmückungen, geht aber ansonsten direkt ans Herz -und nimmt damit die Gangart der Platte adäquat vorweg. Gossamer Thin perlt mit einer lächelnden Leichtigkeit aus den Boxen, ist ein akustisches Trostpflaster. Fast schon flapsig lehnt sich Counting Sheep in seine gezupfte Zärtlichkeit. Wenn der Platte eine Verzweiflung inne wohnt, dann tut sie dies mit schmeichelweicher Wärme und unaufgeregter Unaufdringlichkeit, die auch aus der zeitlosen Erzählung Mamah Borthwick (A Sketch) wächst. The Rain Follows the Plow pendelt dagegen zwischen Schönheit und Abgrund, während A Little Uncanny sich etws zu aufgekratzt aus der restlichen Bandbreite aufdrängt. Und ein You All Loved Him Once schippert leise zu einer Klasse, die daran erinnert, warum Oberst dreinst als Wunderkind gefeiert wurde.
In gewisser Weise löst Ruminations damit auch versprechen und Erwartungen ein, denen Oberst sich mit all seinen Projekten – von zuletzt strauchelnden Bright Eyes bis zu den hamdzahmen Monsters of Folk – über viele Jahre hinweg zu entziehen versuchte. Eine Platte also, die den Reboot andeutet – und die Oberst in vielerlei Hinsicht zur Genesung verholfen haben könnte.

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