Culk – Culk

von am 26. Februar 2019 in Album

Culk – Culk

So dunkel, verführerisch, elegant, abgründig und mystisch: Culk bewerben sich mit dem unglaublich ästhetischen Cover ihres selbstbetitelten Debütalbums bereits jetzt für das stimmungsvollste, am adäquatesten die Musik übersetzende Artwork des Jahres 2019.

Noch besser ist allerdings, dass die versammelten 29 Minuten hinter dieser in die Auslage gestellten optischen Schönheit qualitativ nicht nur problemlos mithalten können, sondern sie sogar übertreffen: Culk spannt sich als unwirklicher Rausch mit latentem 80er-Flair über den Shoegaze und Postpunk, legt Dreampop als laszives Delirium und Ethereal Wave als unwirklich-strenge Seance aus. Ein bisschen so, als hätten Sonic Youth und Preoccupations einen Film von David Lynch eine Handvoll Ohrwürmer spendiert. Oder so.
Das Wiener Quartett tatsächlich exakt zu verorten gestaltet sich trotz markanter Referenzen nämlich letztendlich schwieriger, als es der Sound eigentlich diktieren würde. Immerhin verankert die stets so düster flanierende Platte ihre Kontraste eher subversiv in Gegensätzen. Culk agieren mit grummelnden Bässen, akkuratem Schlagzeug, verwaschenen Gitarren und beklemmend-nebulös funkelnden Synthies, so schwermütig wie unruhig, so melancholisch wie fiebrig. Sie lassen sich treiben, ohne jemals ziellos zu werden, tauchen in ein klaustrophobisches Kammerspiel aus unterkühlt brodelnder, befreiender Leidenschaft, bieten gewissermaßen Sünde, Beichte und Abbitte im selben Maße an.

Zeremonienmeistern Sofie Löw versteht man dabei nicht immer, sie nuschelt und nölt, zieht die Silben elaboriert in die Länge phrasierend, meistens auf deutsch, manchmal auf englisch, immer eigenwillig und charismatisch fesselnd – ein hypnotischer, charakteristisch unbequemer Sirenengesang, den man selbst unter Dutzenden an sich ähnlich klingenden Bands identifizieren könnte. So ästhetisch das schleierhafte, niemals wirklich greifbare Wesen der Platte damit auch wächst, man in der weich-abgründigen Atmosphäre förmlich schwerelos ersäuft und getragen wird, so stark ist das Songwriting, auf das Culk all die Klangmalerei überhaupt erst bauen.

Begierde/Scham zieht die Spannungen mit seinen militärisch pulsierenden Drums zackig auf lässt sie mit scharfkantig-schimmernden Joy Division-Reverb mit dystopischer Schönheit von der Leine, das polternde Faust dröhnt munter und bratzt wie domestizierter Noiserock vor der schamanischen Wüste, lauert irgendwann jedoch lieber nachdenklich, löst die Fäden für seinem Appendix in den sinnierenden Jam: Welche imaginativ dramatische Tiefenwirkung auch die rein instrumentalen Szenarien der Band entfalten können, ist durchaus beeindruckend.
Salvation spannt die melancholischen Saiten wie englisch perlender Indierock aus den 90ern, legt sie durchaus optimistisch und heller schwelend, als würde The Bends mit Souvlaki auf Reisen gehen, das Erbe von My Bloody Valentine weiterspinnen.
Das absolut wunderbare Chains of Sea flaniert schwermütig traurig und überwältigt spätestens, wenn das Riff bis in den wuchtigen Stoner-Keller hinabsteigt, bevor Vollendung einer elegischen Nostalgie folgt und schließlich in heulender Sehnsucht zu verglühen droht, dann aber doch wieder an Fahrt aufnimmt und Culk mit melodramatischer Leidenschaft über die Nacht hinaus jagen. Als EP wäre der Einstand zu diesem Zeitpunkt nicht nur schlüssig, sondern praktisch makellos.

Der relativen Schönheitsfehler der Platte offenbart sich deswegen erst beim finalen Velvet Morning – eine instinktiv an Lee Hazlewoods Fantasie heranschwelgende Annäherung an Nancy Sinatra, die von der Dynamik her im Kontext deplatziert wirkt, weil die abschließende Nummer gefühltermaßen eher als Bindeglied und potentielles Mittelteil im Albumaufbsu anmutet, vielleicht auch nicht so erschöpfend in die Vollen geht, wie es das obsessive Wesen der Musik verlangen würde – obwohl danach bereits Schluss ist, und Culk damit unbefriedigend in der Luft hängend, desorientiert entlässt.
Die gerade erst entfachte Sucht ist nach dieser zutiefst homogenen, in sich geschlossenen halben Stunde nun einmal keinesfalls gestillt. Und ein im Grunde formvollendet in sich selbst zirkulierender, wie aus einem Guss fließender Mahlstrom scheint deswegen auch plötzlich eher wie ein Prolog zu kommenden Taten zu funktionieren. Was man einem solchen – nichtsdestotrotz – Gesamtkunstwerk freilich nur zu gerne nachsieht.

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