Daron Malakian and Scars On Broadway – Dictator
Dictator hätte die Rohmasse zur Verfügung gestellt, um System of a Down ein starkes Comeback zu ermöglichen. So ist es eben nur ein verdammt solides Soloalbum für Daron Malakian und seine Projektionsfläche Scars on Broadway geworden.
Ursprünglich wäre ein Gutteil der hier versammelten 44 Minuten tatsächlich dafür gedacht gewesen, einen potentiellen Nachfolger zum durchwachsenen System of a Down-Doppelschlag [amazon_link id=“B000BPCCZ0″ target=“_blank“ ]Hypnotize[/amazon_link] und [amazon_link id=“B000683IMI“ target=“_blank“ ]Mezmerize[/amazon_link] aus dem Jahr 2005 darstellen zu können. Nachdem sich die 2010 wieder zusammengefunden habende Band allerdings nicht auf eine Richtung einigen konnte, nahm Gitarrist Malakian das geschriebene Material 2012 erst einmal in Eigenregie auf und wartete ab.
Weitere sechs Jahre später, immerhin ein ganzes Jahrzehnt nach dem selbstbetitelten Scars on Broadway-Debüt, steht Dictator nun unter dem leicht variierten Haus-Banner Malakians in den Läden – und zeigt eine Platte, deren eigene Vergangenheit samt dem allgegenwärtigen Schatten von System of a Down ihr wohl größtes (aber nicht einzige) Problem ist.
Freilich ist es ein wenig ungerecht, ein Album in erster Linie daran zu zu messen (und derart darauf zu limitieren), was sie nicht ist, nicht sein kann – in diesem Fall explizit ein neues Album des armenischstämmigen Quartetts aus Kalifornien. Aber nur selten ist aber eben auch derart immanent, welche Elemente und Ingredienzen einer Platte fehlen, wenn sich das von Malakian auf Autopilot liefernde Songwriting so explizit unter einen Scheffel stellt und seine ursprüngliche Intention derart hervorstreicht.
Immerhin arbeitet sich der 43 Jährige auf Dictator noch näher am Signature-Sound seiner Flaggschiff-Band, als am rockigen Scars on Broadway-Einstand ab. Jeder Song deutet (natürlich!) zumindest klassische System of a Down-Intentionen an (mehr noch ist beispielsweise ein Talkin‘ Shit sogar primär eine faule Upbeat-Adaption von ATWA, lehnt sich We Won‘t Obey als supersimple Mutation dreist an die Grundrisse von B.Y.O.B. an), doch kann Malakian die PS des vorhandenen Potentials im Alleingang niemals auf den Boden bringen.
Auch wenn eine grundlegende Klasse Malakians die Platte selbstverständlich auf ein gewisses Niveau hievt, die Melodien eingängig und das Korsett heavy-knackig ist, mangelt es Dictator in seiner assoziativ niemals abzuschüttelnden Ausrichtung schlichtweg an der nach Dramatik schreienden Geste von Ausnahmesänger Serj Tankian (spätestens dann enorm evident, sobald sich der poppunkige, nichtsdestotrotz tolle Titeltrack im Chorus zur Decke zu strecken versucht, aber an der anvisieren Größe zu Grunde geht), sowie generell an den für mehr kreative Reibung sorgenden Konterparts des Bandkollektives.
Es fehlt an den theatralischen Genieblitzen, dem dualistischen Charakter, dem dringlichen Mut und einer zum Wahnsinn schielenden Herausforderung, wahrscheinlich einfach dem Größenwahn – daran ändern auch die billigen Folklore-Synthies in Fuck and Kill sowie Never Forget oder der Kirmesorgelpart im leiernd-schunkelnden Midtempo des an sich herrlich alternative-poppig ausgefallenen Till the End nichts.
Man vermisst einfach permanent das letzte Quäntchen, das aus rundum guten Ausgangssituationen wirklich starke Endprodukte machen könnte, die ausgleichende Reibung, auch die Abwechslung im Instrumentarium: Schon die Rhythmussektion spielt vor allem routiniert, aber auch sehr gleichförmig, während Malakian an der Gitarre eher Standards, als ikonische Riffs abliefert – da kann die Produktion noch so physisch drücken.
Deswegen wirkt Dictator in seinen besten Momenten (etwa dem effektiv-durchsichtig gestrickten Lives, das seine generische Statur enorm schmissig umsetzt und seinen Chorus bis zum Erbrechen repetiert; der schönen Ballade Guns Are Loaded in den Plagiats-Fußspuren von Lost in Hollywood oder ausgerechnet dem melancholisch-ruhige Stamatis Kokotas-Cover/Instrumental Gie Mou/ Give You My Son) wie nicht zu Ende gebrachte Überbleibsel (gar nicht unbedingt aber Ausschussware) von Hypnotize und Mezmerize – womit man als Fan sicherlich gut leben kann.
In den schwächsten Augenblicken jedoch mutiert Dictator zu einer gefühlten Aneinanderreihung wiederverwerteter Riffs und uninspirierte Déjà-vus, die kurzerhand zu gefällig und ungefährlich auftreten, schlimmstenfalls sogar ermüdend das Nervenkostüm attackieren. Nachzuhören am gravierendsten in Angry Guru (das an sich angenehm energisch nach vorne bolzt und gute Tempowechsel forciert, aber den penetrant auf psychotisch gestikulierenden Pre-Chorus in einem unfassbar flach drangsalierenden Refrain aufgehen lässt), in dem Malakian sich einmal mehr als grausamer Texter und penetranter Brachialreimer in Erinnerung ruft, Marke: „Silence/ Leads to violence“.
Auf Dictator wimmelt es vor derartigen lyrischen Rohrkrepierern – sie schießen dem Gesamteindruck auch durch Malakians limitierte Gesangskünste zusätzlich in die Kniescheiben. (Man muss die generelle Austauschbarkeit der politischen Baukastenlyrics sogar als Symptom für die allgemeine Beliebigkeit einer Platte verstehen, deren vor Jahren geschriebenen Texte sich problemlos auf aktuelle Geschehnisse ummünzen lassen wollen: Eine Plattitüdenschleuder, die man nicht mit Zeitlosigkeit verwechseln darf).
Geradezu paradox, dass man Dictator vielleicht alleine angesichts der anhaltenden Flaute im regulären Betrieb von System of a Down selbst als derart suboptimale Ersatzdroge trotzdem einen halbwegs befriedigenden Unterhaltungswert zuschreiben kann, man die gefahrene Schiene dankbar und suchtbefriedigend aufnimmt. Vielleicht exemplarisch insofern das abschließende Assimilate – ein gelungenes Skinny Puppy-Cover ohne tatsächliche Relevanz: Das ist nicht, was man wollte. Aber definitiv auch besser, als nichts!
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