Dr. John – Locked Down

von am 6. April 2012 in Album

Dr. John – Locked Down

Ein meisterhafter Bluesrundumschlag, modern aufgekocht aus der Ursuppe des Genres – Black Keys Gitarrist Dan Auerbach bringt den Night Tripper so richtig in Fahrt und Form.

Es scheint, dass Malcolm John Rebennack Jr., dieses urige Original aus New Orleans knapp 44 Jahre nach seiner ersten Platte immer mehr zur neuen Gallionsfigur einer kredibilen jungen Bluesszene wird: Das hat natürlich weniger mit seinem damaligen Beitrag zum Christina Aguilera-Weihnachtsalbum zu tun, dass Geschichten über bei Konzerten abgeschossene Finger immer aufhorchen lassen oder damit, dass die Muppets immer schon die coolsten Entsprechungen realer Musiker in ihren Reihen hatten. Schon viel eher spielt dem Night Tripper in die Karten, dass er zuletzt unter anderem eben Hugh „Dr. House“ Laurie bei dessen sehr feinen Bluesausflug ‚Let Them Talk‚ unter die Arme greifen konnte, mehrmals in der fantastischen Serie Treme sich selbst spielen durfte,und nun eben, mehr als alles andere, auf seinem schätzungsweise hundertsten Studioalbum der Anhängerschaft der Black Keys potentiell zeigt, was eine Harke ist, denn: Genau sowas wie ‚Locked Down‚, das hätte man anstelle des mauen El Camino‚ gerne gehört.

Soll heißen, der Spagat zwischen modernem Klangbild und zeitloser Wurzelbesinnung, der gelingt Dr. John unter der Ägide von Jungspund und Black Keys Tausendsassa Dan Auerbach nahezu makellos. Das Soundgewand ist dicht gewebt, der Stempel unverkennbar ersichtlich. Dr. John spielt dazu seinen schrulligen Bluesmix aus verqueren Captain Beefheart-Rock Rhythmen (‚Big Shot‚) und versifftem Tom Waits Hillbilly Umtrunk (‚Revolution‚). Kein Song klingt dabei nicht, als wäre aus den Mülltonnen der letzten Jahrzehnte gefischt worden, wo sich die Stücke prima konserviert haben. Polieren ist nicht drinnen, nicht nötig, ein wenig aufpeppeln und auf die Straße torkeln lassen reicht vollends. Zu jedem Zeitpunkt trägt ‚Locked Down‚ seine knittrigen Falten mit Stolz und das zu Recht: Weil Songs wie ‚Getaway‚ eben auch unheimlich gefühlvolle Soulhits vor dem Herrn sind, in ihrem Anachronismus ausgerechnet dem Zeitgeist vorausmarschieren und sich dann auch noch das Recht heraus nehmen, im haltlosen Jam samt Extasesolo zu münden, dass sich vor Coolness beinahe nicht mehr einkriegt.

Was die Crux mit dem aufgezwungenen Black Keys Vergleich noch drastischer macht: Spielt Auerbach neben seiner Produktionstätigkeit auch „nur“ die eine oder andere Gitarre im Hintergrund und steuert Percussion samt Backing Vocals bei, klingt Dr. John dazu nahezu 1:1 wie die welterfahrene Version des jungen Mannes aus Akron. Und derart smoothe Orgelnicker wie das ultrarelaxte Monstrum ‚Kingdom of Izzness‚ haben die Keys eben so noch nicht hinbekommen. Das ist auf verschmutzte Art in Hochglanzschräglage, reichlich ausstaffiert im Instrumentarium, niemals überladen im Austeilen: an allen Ecken und charmanten Kanten groovt ‚Locked Down‚ ohne Ende, wird zur Zeitmaschine, aus der man im Zeitraffer Jazz- und Funkideen erkennen kann, im exzentrischen Gospel von ‚God’s Sure Good‚ schwelgt, Bläserarrangements auftauchen und gar Afrobeatrhythmen das Geschehen leiten können, während der Dr. am Piano jederzeit den Takt vorgibt. ‚Locked Down‚ hat jederzeit den Schalk im Nacken sitzen, ein feistes Grinsen im zwielichtigen Gesicht und transportiert mehr New Orleans Feeling, als es der Aufnahmeort Nashville eigentlich zulassen dürfte. In seinen besten Momenten entwickelt ‚Locked Down‚ die Magie, versehentlich mitten in eine geheime Jamsession in hitzedurchfluteten Voodoo-Sümpfen gestolpert zu sein.
Eine süchtig machende Erfahrung. Und was mindestens so spannend wie die Frage ist, ob das Ergebnis Dr. John nun tatsächlich zur hippen Blues-Gallionsfigur der nachkommenden Generationen machen wird, ist natürlich vor allem, was Dan Auerbach aus der ganzen Sache mitgenommen haben wird. Zumindest die Erkenntniss, dass man dieses Blues-Gipfeltreffen der Generationen geschmackvoller, stilsicherer und vor allem unwerfender kaum inszenieren hätte können.

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