Earth – Even Hell has its Heroes

von am 7. Januar 2023 in Album, Soundtrack

Earth – Even Hell has its Heroes

Die Musik von Earth hat immer schon wie ein Soundtrack funktioniert – nun fungiert sie im Falle von Even Hell has its Heroes auch ganz offiziell, also nicht nur vor dem geistigen Auge, als solcher.

Für den Dokumentarfilm von Clyde Petersen über das tektonisch bewegende Schaffen von Dylan Carlson – und seit nunmehr vielen Jahren eben auch Adrienne Davies (Drums und Percussion) – haben Earth den Score nämlich selbstverständlich höchstselbst beigesteuert. Mit Ausnahme des Titelstücks der triumphalen Paradigmenwechsel-Kür The Bees Made Honey in the Lion’s Skull aus dem Jahr 2008 – das hier erst als (nicht unbedingt als solche erkennbare, aber auch dank Steve Moore an Posaune und Wurlitzer sowie Bassist Don McGreevy absolut grandios gelungene) Live-Version und dann einer transzendentalen, psychedelisch-jazztrippigen Dub-Variante aufgefahren wird – gibt es dabei nur neues Material zu hören, das sich abseits des Highlights Rocker (in dem Bill Herzog am Bass, Lori Goldston am Cello und Mell Dettmer am Moog zu hören sind, und der unheimlich lässig im Roadhouse abhängenden, vergleichsweise konventioneller am griffigen Songwriting ausgelegten Glanztat sogar ein paar Spacerock-Ansätzen verpassen) alleine auf den Duo-Kern der Band konzentriert.

Insofern ist Even Hell has its Heroes (dessen Titel freilich bekannt vorkommen muß) auch gewissermaßen die Fortsetzung der zu mehr spartanischer Reduktion tendierenden Ausrichtung von Full Upon Her Burning Lips und Conquistador, wenn Omage 2 Stoney Bone Child die patentierte heavy Langsamkeit im gemeinsamen Schritt aus karger, aber organischer Rhythmik und einem Stoner-affinen Riff verschmilzt (und die Nummer ausnahmsweise insofern symptomatisch für einen grundlegenden Soundtrack-Charakter ist, weil sie sich kompositorisch genau genommen nirgendwohin entwickelt und ausschnitthaft bleibt), The Dark and Bloody Ground in einem unsagbar cool zurückgelehnten Groove schwelgt (aus dem durch die Terminal-Ansage abrupt gerissen wird) oder This Bitter Glory als zurückgelehnte Melancholie blüht und Bear Flag Rising eine Art Hardrock-Skelett darstellt.

Dass schon der Opener Omage 1 the Unbearable Weight of History aber quasi eine Evolution im Zeitraffer nachvollzieht, indem sich Earth hier aus dem Verstärker-Dröhnen in einen stoisch-archaisch schleichenden Drumbeat erheben, um eine dieser bluesigen Desert-Western-Gitarrenfiguren in Zeitlupe wandern zu lassen, was die Monotonie hypnotisch mit minimal verschobenen Gewichtungen pflegt, bis das Ergebnis hypnotisierend in Trance versetzt, bevor das Duo den Kreis verglühend im Regenplätschern der nachhallenden Distortion schließt, ist aber ebenso exemplarisch: Even Hell has its Heroes findet immer wieder auch eine Art dezitiert wurzelbetonenden Schulterschluss mit der Drone-Vergangenheit der ersten Earth-Lebensphase.

In 16 Tracks and Not Gonna Make It Home Tonight, einer abrupt endenden, aber bis dahin auf Augenhöhe mit niedriger Eingangsschwelle agierenden Erinnerung an die Ästhetik von Earth 2 oder dem an sich direkt ansetzenden Is Anyone Out There, das sich mit Fortdauer ein klein wenig weiter zum Sound ihres zweiten Lebens aufreibt In Queen Anne’s Revenge, wo die countryesk heulende Prärie-Gitarre sogar noch dominanter akzentuiert wird und No Ponderable Fire sie erst wieder zurücknimmt, um die Saiten hinten raus einer Verwegenheit anzubieten, die sogar die Ahnungen eines Beckens über den Moog-Horizont des später in Fire flackernden Ambient-Lagerfeuerpraselns geistern lässt. A Glorious Defeat ist dann beinahe so heroisch, wie es der Titel verspricht, derweil Thunder im beruhigenden Regen eines fernen Unwetters verschwimmt und die sporadisch auftauchenden Field Recordings der Platte atmosphärisch dankbar annimmt.
Die Bandbreite von Even Hell has its Heroes ist insofern sogar weitläufiger als bei regulären Alben der Band, auch wenn die mitunter szenische Veranlagung nicht ganz deren erschöpfende Tiefenwirkung erzeugen kann. Als ebenso vertraute wie befriedigend ganzheitliche Perspektive auf  das Schaffen von Earth entwickeln die versammelten 63 Minuten so fast schon die Wirkung einer alternativen, kurzweiligen Werkschau, die all jene glücklich machen sollte, die keine Innovationen oder Überraschungen im Signature Sound der Institution verlangen.

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