Foxygen – Hang

von am 30. Januar 2017 in Album

Foxygen – Hang

Foxygen kanalisieren den kreativen Übermut, der das hemmungslos ausfransende …And Star Power vor knapp zweieinhalb Jahren über jedes Ziel hinausschießen ließ und destillieren ihre ausgelassene Pop-Sause auf Hang wieder merklich kompakter als zuletzt, drehen Ihre überdrehten Broadway-Begeisterung aber natürlich dennoch wieder demonstrativ smarter auf, als es den Songs letztendlich unbedingt gut tut.

Bezeichnend, dass Hang im Gegensatz zum über alle Stränge schlagenden Größenwahnsinn des Vorgängers …And Star Power als geradezu zielstrebiges Album durchgeht. Schließlich trägt das offiziell vierte Werk von Sam France und Jonathan Rado mit veritabler Gästeliste (etwa Flaming Lips-Guru Steven Drodz sowie ein 40 köpfiges, von Matthew E. White dirigiertes Orchester) nicht nur personell dick auf, sondern inszeniert sich generell als opulentes Spektakel ohne falsche Bescheidenheit und jubiliert kunterbunt als Musical, bei dem kein Stein lange auf dem anderen bleibt – aber schon alleine mit Songs wie dem eröffnenden Hit Follow the Leader und seinen eine nonchalant soulig aus dem Ärmel geschüttelten Streichern, Bläsern und Backgroundsängerinnen das schmissige Foxygen-Verständnis für entwaffnende Ohrwürmer endlich wieder ökonomischer, als die an ihrer Freizügigkeit scheiternde Vorgängerplatte ummünzt.

Hang ändert im flapsiger Broadway-Pop von Avalon allerdings mühelos öfter Gang und Tempo, als andere Bands das auf ganzen Alben tun. Mrs. Adams bläst seine ganz persönliche Rocky Horror Show zum Cinemascope-Erlebnis mit Marc Bolan, David Bowie, Jazz und ordentlich Glam in den imaginativen Hauptrollen auf, das sich weihevoll zwischen intim und elaboriert in seine Schönheit legt und nach seinem furios die Spannungen anziehenden Höhepunkt wie selbstverständlich so glückselig weitertaumelt. Trauma meint mit seinem pathetischen Überbau dagegen eher feierliches Drama (!), das wundervoll am Country vorbeischrammende Kleinod On Lankershim klingt wie eine melancholische Autofahrt durch die Abendsonne einer längst vergangenen Zeit.
In diesen stärksten – die losen Fäden kontrolliert beeinander haltenden, das Zepter von Zappa durchaus würdig übernehmenden – Fällen zündet Hang nach und nach doch knackiger, zwingender und schlüssiger, als die Platte dies anhand ihres hakenschlagenden Charakters auf den ersten, durchaus schwachsinnig erscheinen könnenden, Durchgang zugeben mag.

Foxygen schmiegen sich eben immer wieder genüsslich in Extreme, die zwangsweise polarisieren müssen – etwa wenn America  als romantisch-altmodische Suite die proggigen Musical-Strukturen der Platte scheinbar ohne Konzept durch überflüssige Slapstick-Szenen tanzen lässt, die mangels beigesteuerte Bilder eher wie eine tölpelhafte Verfolgungsjagd geradezu willkürlich anmuten. Das drollige Upon a Hill croont dagegen süffisant und flirtet gar mit einem Polka-Abgang, bleibt aber trotz aller zugänglichen Gefälligkeit eindruckslos, während Rise Up aus aneinandergereihten Gesten besteht, die zumindest in ein fabelhaftes Classic Rock-Finale münden – bevor Foxygen aus dem nicht zum Punkt kommenden Hang nach zu knappen 33 Minuten seltsam unbefriedig entlassen.
Oft will sich Hang mit seinem immensen Ideenreichtum und dem erzeugten Überfluss an Kreativitä nämlich keineswegs eindeutig für das ironisch überspitzte Spektakel entscheiden, sondern positioniert sich phasenweise gefährlich nahe an der zum ziellos übertriebenen Selbstzweck verkommenden Spinnertheit, legt nur zu gerne ein dramatisches Overacting an den Tag. Die Gratwanderung zwischen dem damit einhergehenden atemlosen Unterhaltungswert und einer Egalität auf emotionaler Basis ist deswegen eine schmale.

Die Freude über all das aufgefahrene Feuerwerk erzeugt mit seinem manischen Trubel und oberflächlich bleibenden Sensationsgehabe bisweilen einen frustrierenden Beigeschmack. Hinter all seinen Wendungen und immer wieder neu ausgerichteten Pointen fehlt es Hang an der nötigen inhaltlichen Substanz, die über ein kurzweiliges Amüsement hinausgeht: Wo Serotonin ohne Ende ausgeschüttet werden kann, erreicht der Reigen die Gefühlsebene zu wenig effektiv.
Nicht unbedingt mehr Seriosität und Ernsthaftigkeit, aber auf jeden Fall ein schärfer eingestellter Fokus hätte dem Songwriting auf Sicht durchaus gut getan, denn so klopft sich Hang eine Spur zu prätentiös, selbstverliebt und demonstrativ für die zelebrierte Verrücktheit permanent selbst auf die eigenen Schultern. Wofür zahlrecihe Fans die Platte sicherlich nur umso inniger lieben werden.

Nicht zu Unrecht. Denn was man Hang neben all seinen Mäkel eben stets zu gute halten muss: Einerseits funktioniert das Gespür von France und Rado für großartige Melodien, infektiöse Hooks und tolle Momente auch in diesem fragmentarisch-sprunghaften Kontext immer wieder turbulent mitreißend, lässt den Rabatz mit großen Augen bestaunen.
Und andererseits ist es ganz allgemein weiterhin eine absolute Freude zu hören, dass Foxygen sich ihren unkonventionell übersprudelnden Zugang zum Prinzip Pop als ausgelassenen Zirkus ohne Limitierungen weiterhin nicht einengen lassen, es niemandem leicht machen. Das mag nach Take the Kids Off Broadway, We Are the 21st Century Ambassadors of Peace & Magic und …And Star Power zwar abermals die Meinungen spalten, alleine für diesen erfrischende Unberechenbarkeit haben Foxygen abseits ihres konfettispuckenden Funfaktors ein ums andere Mal eine gehörige Portion Respekt verdient. Noch wichtiger: Langweilig kommt mit dem kalifornischen Duo weiterhin keine auf.

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