Geese – Getting Killed
„I should burn in hell/ But I don’t deserve this/ Nobody deserves this.“ Ach was – nach seinem Solo-Debüt Heavy Metal führt Cameron Winter seine eierlegende Wollmilchsau Geese mit Getting Killed zum Wohle aller zu neuen Höhen.
Besagter Solo-Ausflug (und wohl auch der Ausstieg von Foster Hudson) hat die ihren Indie weiter als bisher in den Classic Rock schielen lassenden Band aus Brooklyn gefühlt noch näher zusammenrücken lassen: Wo der Country in 3D und 4D 2023 beispielsweise noch auf externe Soul-Sängerinnen als markante Haltegriffe an der Grenze zum Arrangement-Gimmick setzte, haben Geese mittlerweile die Sicherheit gefunden, ihre Songs Hand in Hand mit ihrer charakteristischen Exponiertheit als Grower anzulegen und das große Ganze damit runder im Visier zu nehmen.
Man vergleiche diesbezüglich alleine den Titelsong des Vorgängers mit dem von Getting Killed, der seine hibbelig feiernde choralen Ausgelassenheit als Yacht-Prog-Kontemplation eher zu Radiohead lenkt. Dass Kenny Beats alles einbringt, was er in seiner Rolle als Produzent bei Idles gelernt hat, macht die Sache zusätzlich homogen.
Ein bisschen fühlt sich das Drittwerk so paradoxerweise wie die logische Weiterentwicklung und Steigerung seines Vorgängers an, indem Winter, Gitarristen Emily Green (die ihre Rolle als texturierender Freigeist jenseits klarer Riffs gefunden hat) und die absolut grandiose (nicht nur im sich körperbewusst immer fiebriger steigernden Gangster-Beziehungsdrama Bow Down mit absoluter Coolness begeisternden) Rhythmusgruppe aus Bassist Dominic DiGesu und Schlagzeuger Max Bassin auf eine subversivere Herangehensweise an ihren Sound setzen – und dabei freilich immer noch ein in dieser Form beispielloses Feuerwerk lostreten, in dem Eklektizismus als schillerndes Fest der Originalität zelebriert wird. Nicht gezwungen, sondern als natürlichste Sache der Welt.
Den Blick nach hinten gerichtet frisch nach vorne zielend aufbereitet, wird und die betont schrullige Prätentiösität nicht jener Ebene der Songs im Wege steht, die auf emotionaler Ebene funktionieren: Geese schlagen an konventionellen Befindlichkeiten gemessen expressiv und demonstrativ schief über Ziele hinaus, treffen sie damit aber auf ihre Weise noch konsentauglicher.
Cameron Winter intoniert dafür weiterhin für das Trademark sorgend mit einer solchen Inbrunst, dass er auch unspektakuläre Songs zu polarisierenden Feuerwerken der Sehnsüchte macht, derweil seine versierte Gang als Kollektiv dahinter einen nach allen Seiten offenen, aus dem Jam geborenen Müßiggang pflegt – an sich ziellos scheinende Projektionsflächen, die aber auch für sich einnehmend agieren, atmosphärisch und kunstvoll -, der von dem Sänger zelebrierend in griffige Form geführt zusammengehalten wird.
Sein Organ fungiert als Schleife und extravaganter Ausschmuck um das Gesamtpaket – als Bastard aus zerschossenen The Strokes, Clap Your Hands Say Yeah und Dirty Projectors, der eine immense Liebe für CCR und Captain Beefheart gleichermaßen hofiert, um ein frickelndes Chaos und Liebe zu Disharmonie auf eine schlüssige Weise Hand in Hand mit der Eingängigkeit gehen zu lassen, Das Resultat davon ist erstaunlicherweise gar nicht einmal so anstrengend ausgefallen.
Zumindest nachdem das eröffnende Trinidad, das ruhig lauert, als würde Thom Yorke in eine sinistre Jazz/Blues-Bar torkeln, obwohl kakophonische Tourette-Ausbrüche scheppert und krachen, schreien und brüllen, und diese Kontraste bald einem Bewusstsein für das Schöne und Angenehme weichen.
Das gefühlvoll-melancholische Cobra ist gleich so eine hingebungsvolle Anmut, eine bisschen aus dem Leim gegangene Zärtlichkeit, ruhig und soulig, als hätten die Stones Trout Mask Replica aufgenommen, derweil Husbands zu Tom Waits stapft und dabei eine Feierlichkeit wie Big Thief erzeugt. Islands of Men groovt mit einer funky Zurückhaltung und dreht alsbald entspannt ab, wo 100 Horses eine klimpernde Balance zwischen The Smile und John Fogerty für eine „dance Music in times of war“ (er)findet.
Die lyrische Schärfe mit ihrem hintergründigen Witz muss man dafür ebenso erst einmal entdecken, wie die geladene Waffe im gleißend blendenden Boredoms-Sonnenschein, derweil die Lieblingssongs praktisch bei jedem Durchgang wechseln.
Oft ist es aber das Doppel aus Half Real (das liebenswürdig bimmelt und als erhebender Lovesong neben der Spur schunkelt) sowie Au Pays du Cocaine (das den Vibe romantischer The Walkmen-Schwelgereien hat), welches immer wieder besonders schwärmen lässt.
Dass Geese den Proberaum für all diese Nummern nur mit vagen Ideen oder skizzierten Moodboards betreten haben, um daraus in der zehntägigen Aufnahme-Sessions intuitive Stücke wachsen zu lassen, kann man sich gut vorstellen.
Erst ganz zum Schluss der Platte ändert sich dies ansatzweise. Dort ist das kauzig leidende Taxes nämlich in fast optimistisch funkelndem Wesen fast konventioneller Indie, der auch Late Night-Publikum an die Angel kriegt, bevor die latent euphorisierende Aufbruchstimmung von Long Island City Here I Come sich nicht umsonst enthusiastisch beschwörend einklatscht, manisch und gedrosselt, immer weiter in den Himmel stürmt und die eigene Individualität doch auch massentauglich feiert. Denn den rund um Getting Killed erzeugten Hype stemmen Geese tatsächlich geradezu spielerisch, auch wenn die wirklich überwältigende Gänsehaut-Augenblicke selbst nach diesem Finale bis auf weiteres ein Versprechen an die Zukunft bleiben.


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