Interview: Tall Ships (Teil 3)

von am 14. November 2012 in Reviews

Interview: Tall Ships (Teil 3)

Lite – ‚Shinkai

Matt: Klingt wie Sigur Rós. Explosions in the Sky?
Ric: Ich musste auch an Sigur Rós denken. Aber vor allem, weil wir schonmal gesagt haben, wie gerne wir die mögen und ich auf die Art versuche draufzukommen, welche Songs du uns vorspielen könntest. Foals? Die werden ja auch immer aus irgendeinem Grund mit uns in Verbindung gebracht.
Matt: Mogwai? Nein, keine Idee was das sein könnte. Wo sind die her?
HP: Asien…
(aus dem Hintergrund ruft jemand): das sind Lite! Großartige Band!
Jamie: Abgefahrenes Schlagzeug.
Ric: ganz ehrlich, wir haben die Mathrock-Vergleiche noch nie verstanden, wir spielen keine komplizierten Songs!
HP: Wie falsch die Assoziation eigentlich ist, ist mir aber auch erst aufgefallen, als ich euch heute live gesehen habe. Da war das purer Rock.
Ric: Vielen Dank – denn genau so sehen wir uns: wir sind eine Rockband!

Kooks – ‚Naïve

Ric: Kooks.
HP: Weil?
Ric: Die aus Brighton kommen, wie wir.
Matt: Meine Schwester ist mit dem Gitarristen in die selbe Klasse gegangen.
Ric: Ja, ein netter Singalong-Song halt. Du hörst es und ja, es ist nett. Aber eben nicht mehr. Es gibt heutzutage definitiv zu viel „nette“ Musik da draußen! Alles ist „gut“ und „schön“ und „nice“ und…
HP: …aber du magst Coldplay?
Ric: (lacht) Ich liebe Coldplay, Mann! Coldplay sind einfach anders. Die sind keine Indie-Band, kein Underground. Die scheffeln eben Geld für ihre Plattenfirma. Das sind andere Dinge. Ich rede von zwanzigjährigen Indiekids, die nur saubere Musik macht, die keine Grenzen überschreiten will, die noch nie einen Funken Dreck gesehen hat. Sowas finde ich einfach nur schwach.
HP: Hört ihr dann überhaupt aktuelle Musik?
Ric: Hm… ich liebe das aktuelle Cloud Nothings-Album. Die ist das genau Gegenteil von dem, was ich gerade aufgezählt habe. Da steckt soviel Ehrlichkeit drinnen, there’s just so much Angst in it! Das klingt so verdammt druckvoll, die Art wie die Vocals aufgenommen sind – es fühlt sich einfach so echt an. Bei ‚Wasted Days‚ ist das dabei fast nur ein Akkord, der auf- und abschwillt. (beginnt leise den Refrain zu singen). Fuckin‘ Amazing! Wir hören generell viel Gitarrenmusik.
HP: Ja?
Ric: Japandroids zum Beispiel. ‚Celebration Rock‚.
HP: Die haben vor nicht einmal einem Monat hier gespielt.
Ric: Cool, waren da auch so viele Leute wie heute?
HP: Nein, sie haben hier gespielt, im Second Floor, mehr oder minder wo du gerade sitzt.
Ric: Ehrlich? Dabei sind die doch auch schon recht groß! Muss ich jedenfalls auch mal live sehen! War sicher gut oder?
Matt: Also ich mag das neue Cate Le Bon-Album. Oder Calm Trees, die spielen 80s-Electronica.
Jamie: Ich bin gerade dabei, das neue St. Vincent-Album zu entdecken. Also das mit David Byrne. St. Vincent ist so ein Fall von gutem Pop. Und hübsch ist sie außerdem! (grinst) Wild Beasts hab ich diesen Sommer für mich entdeckt.
Ric: Kennst du Post War Years? Die sind wirklich, wirklich gut, auch aus dem UK. Die haben gerade eine EP rausgebracht und legen Anfang nächsten Jahres ihr zweites Album nach, das wirklich toll geworden ist. Es ist zwar ihr zweites Album, aber vom ersten hat einfach niemand etwas mitbekommen. Sie haben es vor….vier Jahren oder so selbst veröffentlicht. Jetzt sind sie bei einem Major und sollten die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen.
Matt: Wer übrigens auch aus Brighton kommt aber definitiv netter ist als die Kooks, ist Bat for Lashes.
Jamie: Stimmt, auf die können wir uns alle einigen. Die aktuelle Platte ist großartig.
Matt: Ich hab mich sogar schon ein paarmal mit ihr unterhalten, weil ich durch irgendwelche Ex-Freunde mal auf ihrer Geburtstagsparty eingeladen war. Wirklich unheimlich freundliche Person.
HP: Das sind aber ja alles nicht unbedingt Gitarrenbands. Brighton und Rock, da denkt man ja eher an The Eighties Matchbob B-Line Desaster oder so.
Ric: Stimmt. Aber mit denen hab ich mich nie wirklich befasst und auch ewig nichts mehr gehört, keine Ahnung, was die machen.
HP: Die haben sich aufgelöst.
Ric: Ah, das erklärt so manches.
Matt: Spiel uns jedenfalls nichts mehr von den Kooks vor!

Tall Ships (US) – ‚Light it Up‘

Jamie: Nu Metal?
Ric: Keinen Plan.
Matt: Nie gehört.
Ric: Gib uns einen Tipp!
HP: Die kommen aus Grand Rapids – und den Namen der Band habt ihr sicher schon mal gehört.
(alle sehen sich gegenseitig an, Kopfeschütteln)
Ric: Nein, keine Chance.
HP: Das sind Tall Ships!
(ein allgemeines, wissendes raunen geht durch die Menge)
Ric: Ah, so klingen die also!
Matt: Wow, ich liebe deren Sound! (lacht los)
Jamie: (verstellt seine Stimme) „Hey, spielt mal was von eurem heavieren Zeug!“ (grinst)
HP: Im Netz habe ich tatsächlich schon oft Meldungen gelesen, die bekritteln, dass ihr auf eurem neuen Album zu soft klingt…!
Jamie: Grandios! Ich liebe die Internet-Community! (lacht)

Joe Volk – ‚Call to Sun‘

Ric: Verdammt ruhig, meditativ. Angenehm. Aber nein, dass kenne ich sicher nicht. Wer ist das?
HP: Joe Volk, der ehemalige Sänger von Crippled Black Phoenix und Gonga.
Ric: Sagt mir alles nichts. Gefällt mir aber.
HP: Wie sieht es bei euch aus – habt ihr irgendwelche Projekte abseits von Tall Ships laufen?
Ric: Nein, gar nichts. Ehrlich gesagt: wir hätten wohl nicht einmal die Zeit dazu, wir hatten ja genau genommen nicht einmal die Zeit, diese Band zu gründen. Wir haben nie gesagt: „lasst uns eine Band sein„, oder so. Irgendwann haben wir einfach angefangen gemeinsam zu spielen und dann ist alles sehr schnell gegangen, wir hatten dann eben das Glück, für viele Bands als Support auf die Bühne zu dürfen. Ich habe damals noch Schlagzeug in einer Band gespielt, so einer Mischung aus Death From Above 1979 und Green Day, richtig mies. Wir durften dann für Tubelord eröffnen, hatten aber praktisch keine Songs und haben eben auf die Schnelle welche geschrieben. Seit drei Jahren sind wir nun nahezu ununterbrochen unterwegs und irgendwie ist es schon surreal: eben noch waren wir in Fallmouth, wo wir uns auf der Uni kennen gelernt haben, und plötzlich touren wir durch ganz Europa, sitzen hier in Graz, wo wir noch nie zuvor waren. Das ist schon verdammt großartig. Aber Zeit abseits von Tall Ships bleibt da eigentlich nicht.
Jamie: Also ich möchte schon mal ein Soloalbum aufnehmen!
Ric: Ehrlich?
Jamie: Ja, schon….
HP: So Ringo Starr-mäßig?
Jamie: Nein…eher…ich weiß auch nicht.
HP: Andy Burrows hat vor kurzem ein ziemlich tolles Soloalbum heraus gebracht.
Jamie: Stimmt. Sowas vielleicht. Mit ihm und We Are Scientists waren wir auch schon unterwegs. Aber Andy ist irgendwie ohnedies mehr Singer-Songwriter als Schlagzeuger.
Matt: Und hat außerdem eine wahnsinnig tolle Stimme.
Ric: Absolut! Solo ist er zudem besser als wahrscheinlich alles, was er beispielsweise mit Razorlight gemacht hat.
HP: Könnt ihr eigentlich von eurer Musik leben?
Ric: Noch nicht, nein.
Jamie: Nein. Absolut nicht. Wir darben die letzten paar Jahre ganz schön. Du musst dir nur mal unsere Instrumente ansehen, die werden nur noch von Gaffa-Tape zusammengehalten. Weißt du: Dad Rocks sind Labelkollegen von uns, und die bekommen von der dänischen Regierung massenhaft Unterstützung, wenn sie auf Tour gehen etwa. Wir haben praktisch nichts. Wenn wir mal Zuhause sind, müssen wir alle unheimlich beschissene Jobs annehmen – um für Wohnungen zu zahlen, die wir eh nie sehen, maximal zwei Monate im Jahr.
Ric: Deswegen werden wir auch alle Songs unseres zweiten Albums an die Werbung verkaufen. An Burger King, McDonalds und so.
HP: Moby-mäßig?
Ric: Yeah, noch exzessiver! Wir werden Songs nach Burgern benennen, das Album wird ‚I’m Lovin‘ it!‚ heißen! Mc Flurry wäre auch ein schöner Name für eine Tochter, wenn wir schon mal an dem Punkt sind.

Nachdem Nada Surf ihr Set beendet haben, steht Ric am Merch-Stand, der dezente Hinweis, dass er und drei weitere Tourbegleiter einen Schlafplatz für die Nacht brauchen würden, ist neben dem noch überschaubaren Angebot am Tisch drappiert. Zum Schwarzenegger-Museum werden es die grundsympathischen Jungs von Tall Ships am nächsten Tag übrigens nicht schaffen, dafür aber auf den Schloßberg. Jamie gesellt sich zu Ric, die Einnahmen des Abends werden kurz durchgesehen. Beide nicken sich zu: „Looks like we did it again“.

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