Jake Bugg – Jake Bugg

von am 14. Januar 2013 in Album

Jake Bugg – Jake Bugg

Jake Bugg‚ ist ein Paradebeispiel dafür, dass nicht jeder Hype von der Insel derart gehaltvoll sein muss, wie er es verspricht – dabei jedoch trotzdem so richtig gut unterhalten kann. Aber nebenbei  führt dieses mächtig einschlagende Debütalbum zwischen Bluesrock, Folk, Country und klassischer Singer-Songwriter-Pop-Affinität  auch vor Augen, dass viele Probleme der Plattenindustrie auf stupideste Art und Weise  hausgemacht sind.

Oder weswegen erscheint ‚Jake Bugg‚ in hiesigen Breitengraden erst Ende Jänner, wenn die Platte sich vor allem auf der Insel (aber mittlerweile eben auch schon darüber hinaus) seit Mitte Oktober verkauft wie geschnitten Brot und damit wohl selbst die kühnsten Träume nach den vorangegangenen, stets einschlagenden fünf (!) Singles übertrifft? Wer da nahtlos am Puls der Zeit bleiben will oder zumindest wissen will, aus welchem Haus all diese Britpop-Hits der Marke ‚Lightning Bolt‚, ‚Two Fingers‚ oder ‚Trouble Town‚ stammen, dem bleibt eben nur der Weg zum teuren Import – oder eben jener in die Grauzone der Legalität. Das Gute ist natürlich: schlau muß man aus dieser verschleppten Veröffentlichungspolitik nicht werden, um sich trotzdem an den unkomplizierten 14 Ohrwürmern zu erfreuen, die der gerade einmal 18 Jahre alte Jacob Edwin Kennedy aus Nottingham mit einigen Helfershelfern hier auftürmt.

Da trieft aus jeder Sekunde Spielzeit die unverkennbare Sozialisierung der großen britischen Poptradition; kein Wunder also, dass Noel Gallagher den jungen Jack Bugg so gut fand, dass er ihn mal eben mit auf Tour nahm und er dort gleich Paul Weller wohlwollend aufgefallen sein soll. Dass sind dann auch Referenzen, die weitaus besser passen als der gar nicht nur falsche Vergleich mit dem jungen Bob Dylan – abgesehen natürlich alleine von der Optik, die Jake Bugg unmittelbar neben dem adoleszenten Damon Albarn und Intimfreund Liam auffädelt. Dabei käme man dem vom ehemaligen Snow Patrol-Mitsänger Ian Archer auf anachronistisch altmodisch, respektive zeitlos produzierten Debütalbum wohl am nächsten, wenn man sich den Tallest Man on Earth Kristian Matsson dabei vorstellt, wie er sich daran versucht, irgendwo zwischen seine eigene Discographie und das erste (, so reduziert/ruhig/unaufdringlich freilich nie veröffentlichte) Arctic Monkeys-Album zu grätschen – und dabei nun allerlei unbeschwerte Hits rausschauen, die Oasis so unbefangen (und zu weiten Teilen auch wenig theatralisch) nur selten abliefern wollten.

Braucht doch selbst der stampfende, elektrische Countryrock ala CCR von ‚Lightning Bolt‚ als aufrüttelnder Opener grundsätzlich wenig Ausstattung, um absolut schmissig zu gefallen zu wissen (ansonsten reicht dem Schlagzeug ohnedies meist ein Paar Besen; vereinzelte Streicher und sonstige Ausstaffierung spazieren wie zufällig durch die Hintergrundarrangements), während der unheimlich gutgelaunt, gleichzeitig schüchtern tänzelnde Twang des Pillenfressers ‚Seen It All‚ mit seinen simplen Groove schon jetzt von keiner Party mehr fortzudenken ist. Singt Bugg da swingend „I swear to god, I’ve seen it all/ Nothing shocks me anymore“ klingt das dazu weitaus weniger skurril, als es aus einem derart jungen Hals eigentlich sollte, und tatsächlich schwingt hier immer wieder charmant das großmäulige Selbstbewusstsein durch, das großen Britpop immer schon irgendwie ausgezeichnet hat – und weil das Songwriting den Worten auch stimmige Taten folgen lässt, kann man die vorgekauten Altersweisheiten schon einmal so stehen lassen und gut finden.

Deswegen funktionieren romantische, gar sehnsüchtig werkende Schmachtfetzen wie ‚Broken‚ oder ‚Someplace‚ auch als restlos großes Kino, ohne wirklich dick auftragen zu müssen. ‚Taste It‚ macht dagegen Rock eben mit ganz viel Roll, ‚Trouble Town‚ hüpft auf mindestens 50 Jahre älter frisiert einher, als es tatsächlich ist. ‚Slide‚ ist die balladeske Hymne, die unbedingt Single Nummer 6 sein möchte; ‚Someone Told Me‚ und ‚Note to Self‚ holen dann potentielle Neutral Milk Hotel-Gesangslinien in die bedingungslose Eingängigkeit. Generell gilt dabei über den Daumen gepeilt stets: geht Jake Bugg die Sache beschwingter an, wurde ordentlich Blues verabreicht, ist er im gemächlichen Modus, zeigt er seine glasklare Vorliebe für Folk.

Someone Told Me‚ klingt deswegen im Endeffekt wie vieles hier so hundertprozentig nach dem Tallest Man on Earth, dass der Erfolg, den Jake Bugg damit einfährt in Relation schon beinahe verstörend unwirklich wirkt. Dabei darf aber eben nicht übersehen werden, dass ‚Jake Bugg‚ eine an allen Ecken und Enden geschickt zurecht geschliffene Singer-Songwriter-Wundertüte ist, die es vom intimen Lagerfeuerfreund bis zum stilvollen Indierocker nahezu jedem Recht macht. Freilich: so spannend oder atemberaubend, dass da mancherorts von einer „Revolution“ ala ‚Is This It‚ die Rede ist, sind die knapp 40 Minuten nie. Stets scheinen die Songs allzu unbissig und nett an der Oberfläche bleiben zu wollen, um nur niemanden zu verstören. Aber in all seiner rundum einnehmenden, perfekt inszenierten Gefälligkeit unterhält dieses abwechslungsreiche, kurz und knackig entschlackte Einstandswerk durch die Bank. Und ist damit natürlich vor allem eine beachtliche Visitenkarte für ein Talent jenseits des Rohdiamanten-Status – welches hier stets weitaus älter und gefestigter klingt, als man das einem 18 jährigen zugestehen wollen würde.

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