Leeched – To Dull The Blades Of Your Abuse

Leeched aus Manchester optimieren auf ihrem Zweitwerk To Dull The Blades Of Your Abuse selbstsicher die Extreme, die das Debütalbum You Took the Sun When You Left vor zwei Jahren bereits so radikal vermessen hat.
Seit der ersten, noch Grind-affineren EP Nothing Will Grow From The Rotten Ground 2017 hat das seine Positionierung praktisch aus dem Stand gefunden habende Trio für eine ständige Optimierung der stilistischen Melange nur minimale Stellschrauben nachziehen müssen – der Blackened Metallic Crust Hardcore von Leeched hat über die Assimilierung von Powerviolence- und Sludge-Elementen an der Grenze zum Industrial schließlich seit jeher keine Gefangenen genommen.
Auf To Dull The Blades Of Your Abuse klingt es jedoch mehr denn je ganz so, als hätten Nails und Cursed gemeinsam mit Godflesh die Kooperation von Merzbow mit Full of Hell gehört und beschlossen, dass sie diesen Wahnsinn irgendwo im Sperrfeuer von Portrayal of Guilt, Sect und Code Orange ebenfalls zelebrieren können.
Für das zweite Studioalbum haben Leeched nämlich nun nicht nur die Songs wachsen lassen, sondern vor allem den Sound an sich intensiviert, den Mix und die Produktion auf bisweilen entmenschlichte Standards gestellt: To Dull The Blades Of Your Abuse provoziert einen derb monströsen Klang, dreckig und muskulös, alles hier bedient mit ätzender Wucht einen nihilistischen Druck, der ständig auf den möglichst zerstörerischen Impact ausgelegt ist. Dafür bündelt die Band die Achse aus Kompression und Clipping am Limit als Stilmittel, die Dynamik will gar keine Bandbreite jenseits der Lautheit ermöglichen.
Leeched deklarieren dies als „uneasy listening“, man soll sich unwohl fühlen, auf allen Ebenen kein angenehmes Hörerlebnis haben, kein Durchatmen, keinen Raum zur Ruhe finden. Die Drums schmerzen wie apathische Abrissbirnen im ultragarstigen Infight, die Gitarren bohren als klaustrophobischen Daumenschrauben, das Gebrüll fordert mit angespannten Muskeln zur Unterwerfungsgeste auf. Breakdowns, Störgeräusche und Noise fressen den Hass, Pessimismus und die Finsternis am Anschlag, To Dull The Blades Of Your Abuse ist ununterbrochen heavy, schmutzig und ekelhaft, droht permanent vor wütender Energie zu bersten, während die Elektronik hier kein Gimmick ist, sondern elementar in den Sound eingraviertes Spurenelement – was so auch Rückschlüsse darüber zulässt, dass To Dull The Blades Of Your Abuse dennoch keineswegs derart eindimensional ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag.
Tatsächlich steht Leeched der brachiale Vorschlaghammer so gut und hintersinnig wie nur wenigen artverwandten Bands. Weil sie aus der Plakativität tatsächlich eine effektiv kanalisierte Schlagkraft und Brutalität ziehen, ähnlich wie Nails-Boss Todd Jones eine gewisse Stumpfheit zu instrumentalisieren wissen, auch über eine ganzheitliche Ästhetik fesseln – vor allem aber ein Songwriting anbieten, dass all das Gewicht der Musik trotz einer forcierten Monotonie tatsächlich in emotionale Katharsis umzumünzen versteht.
The Hound’s Jaw muß sich als gefühlte Aufwärmrunde – und den übergreifenden, so homogen in sich geschlossenen Spannungsbogen der Platte eröffnend – von einem Mahlstrom aus Feedback, Samples und fiependen Schaltkreisen befreien, erst einmal zum Fleisch seiner Riffarbeit wühlen, wo infernale Stimmbänder und schiebende Riffs über den tackernden Rhythmen den Weg für den progressiv zu einem schwarzen Loch der Ideen und Wendungen werdenden Bolzer The Grey Tide ebnen. Die Nackenmuskulatur wird schon hier unberechenbar drangsaliert, die Band wechselt zwischen einer geradezu majestätischen Bestialität und atonal-assozialer Psychose der schwerfällig-doomigen Brachialität, bevor I, Flatline seine Single-Qualitäten mit einer geradezu absurd stimmungsmachend-schmissigen und zu repetitiv-zugänglich wiederholter Simpel-Melodie antäuscht, es beinahe zu einfach macht – nur um dann umso gnadenloser die Blastbeats in einem Morast anzurühren und den randalierenden Pit immer räudiger ins zähflüssige ausbremst.
Trotzdem fällt To Dull The Blades Of Your Abuse hier aus seinem Charakter: Individuell-erinnerungswürdige Motive sind schließlich weniger die Agenda der Platte, als das plättende Ganze. Now it Ends fügt sich insofern auch stimmiger in das Mosaik, quält sich tektonisch zu Post-Industrial-Drones, ist eine gezogen folternde Streckbank, die doch Erleichterung verschafft, wie Leeched da im apokalyptischen Cinemascope träumen. Earth and Ash konterkariert diese depressive Oase mit purem Tempo, Direktheit und harscher Härte, rezitiert zum Ungemach inmitten einer Kloake von der Kanzel, wo Famine at the Gates wie im Delirium der Dissonanz frönt und sich letztendlich selbst verdaut. Die Planierraupe Praise Your Blades beerdigt theoretisch vorhandene Hooks selbst – und die 89 Sekunden von Burn With Me gleich dazu – während irgendwo in den Katakomben von Let Me Die Synthies verrecken, um in der maschinellen Dystopie noch einmal einen Kraftakt abzuringen. Dass das Finale Black Sun Ceremony als längster Song ausgeblutet den etwas zu archetypisch positionierten entschleunigten Kadaver gibt, bedeutet weder, dass Varianz abseits der Kampfzone und der aus der unbedinten Schwärze auftauchenden Konturen doch ein Thema für Leeched wäre, noch dass die wirklich ikonisch herausragenden Szenen, die viele der hierfür prägenden Kombos eben doch erreichen, in akzentuierter Griffweite wären. Beides gehört allerdings irgendwo zum Konzept dieser geradezu reinigenden 36 Minuten rauschhafter Menschenfeindlichkeit.
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