The Menzingers – Rented World
‚Rented World‚ ist nicht der nächste imposante Entwicklungssprung in der Geschichte der Punkrock-Könige aus Scranton geworden, sondern das routinierte Verwalten und vorsichtige Ausweiten der Errungenschaften des zwei Jahre alten Jetzt-schon-Instant-Klassikers ‚On the Impossible Past‚. Ihre Krone behalten The Menzingers damit.
Mit ihrem vierten Album gehen Greg Barnett, Tom May, Eric Keen und Joe Godino damit natürlich zuallererst auf direkten Konfrontationskurs mit den über zwei Ausnahmeplatten etablierten, immens hohen Erwartungshaltungen – und scheitern auf die vielleicht bestmögliche Art und Weise. Songs wie ‚My Friend Kyle‚ (mit Metal-Soli-Ansatz), das stampfende ‚Nothing Feels Good Anymore‚ oder der Killertrack ‚Rodent‚ sind kraftvolle Punkrockhits allererster Güte, die den Seiltanz zwischen Verletzlichkeit und die Zügel anziehender Wut im Bauch bestechend punktgenau und schwindelfrei vollziehen. Das Spiel mit wehmütiger Melancholie, ungestillter Sehnsucht und hoffnungsschöpfender Nostalgie beherrschen die Menzingers eben wie kaum eine andere Band im Spannungsfeld von balladesken Midtemporockern (wie dem versöhnlichen ‚Where Your Heartache Exists‚) und straighten Tritten aufs Gaspedal (das feierlich immer neu anlaufende ‚Sentimental Physics‚) – da genügt gar der Autopilot um weite Teile der Konkurrenz mit einem beinahe makellosen Gespür für Hooklines, Harmonien, Melodien und dem emotionalen Gesang von May und Barnett im Rückspiegel lassen.
‚Rented World‚ ist dabei in Summe nicht derart stadienrockig ausgefallen wie es die markant riffende Vorabsingle ‚In Remission‚ (auch und vor allem wegen des wenig geschmackssicheren potentiellen Foo Fighters- Video) in Aussicht stellte, und auch nicht derart frontal agierend, wie es die zweite Single ‚I Don’t Wanna Be An Asshole Anymore‚ mit immer wieder an beinahe Emo-tauglicher Inszenierung schrammenden Gesang als Mischung aus ‚Party Hard‚, Ramones-Surfgitarren und großartig verschleppten Rhythmus anteaserte – obwohl The Menzingers derartige Ambitionen deutlicher denn je unterstreichen, noch ein Quäntchen zugänglicher und poppiger geworden sind. ‚Transient Love‚ ist als längstes Stück der Platte etwa auch deren nachdenkliche Hymne und fällt deutlich aus dem Kanon des bisherigen Schaffens: wenn nach 5 Minuten Schluss ist klingt es allerdings als hätte sich die Band im letzten Moment kurz vor der ganz großen Geste selbst ausgebremst, weil man ohnedies schon soweit an U2 (!) dran ist wie nur denkbar. Massentauglichkeit steht der Band allerdings einfach, das funktioniert also durchaus, im Gegensatz zum ratlos hinterlassenden, polarisierende Intermezzo ‚The Talk‚, in dem der kompakte Spagat zwischen Green Day und Anti-Flag sich zumindest im Kontext nicht gerade als die beste Idee der Menzingers entpuppt.
Die vorhandenen Ambitionen des Quartetts sich abseits von Detailfragen aus der etablierten Wohlfühl- und Herrschaftszone zu bewegen gelingen auf ‚Rented World‚ also nicht immer nahtlos, wie auch der gefällige, rührselige und deplatzierte Schlusspunkt ‚When You Died‚ in seiner Verneigung vor Dylan und Baez als Akustikrausschmeißer vorführt. Es sind derartige kleine Schönheitsfehler die den unermüdlichen Grower ‚Rented Wolrd‚ letztendlich nicht vollends auf Augenhöhe mit seinem Vorgänger wachsen lassen: der Albumfluss wirkt weniger kohärent, die Höhen sind nicht so erhaben wie jene von ‚On the Impossible Past‚ und die rarer gesähten überlebensgroßen Momente an der Grenze zur Punkrockmagie glänzen hinter etwas zuviel Souveränität, dafür leistet sich die Band einige Schwächephasen – etwa, wenn ‚Bad Things‚ sich zum großen Kino aufschwingt, dem Song aber im arg uninspiriert bei Titus Andronicus‚ ‚Still Life With Hot Deuce On Silver Platter‚ geborgten Refrain die Puste ausgeht. Freilich allesamt Jammern auf hohem Niveau. Was nach 42 Minuten und einer erst einmal überwundenen Ernüchterung zählt sind gutes Dutzend an mitreißenden Hits, gnadenlosen Ohrwürmern und zeitlosen neuen Lieblingssongs: in diesen Regionen operierend setzen die ausnahmslos an der eigenen Discographie zu messenden Menzingers bis auf weiteres auch im Jahr 2014 spielend die Qualitätslatte für melodischen Punkrock.
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