Omar Rodriguez Lopez Group – Woman Gives Birth To Tomato!
Omar Rodriguez-Lopez veraschiedet sich von 2012 mit einem erschöpfenden Dreierpack. Mit dem vielleicht sinnbefreitesten/brillantesten Albumtitel seiner unüberblickbaren Discographie ausgestattet ist ‚Woman Gives Birth to Tomato!‚ (letztendlich wohl irgendwo zwischen Veröffentlichung Nummer 23 und 25 zu katalogisieren) aber vor allem eines geworden: eine unheimlich anstrengende Attacke auf die eigene Aufnahmefähigkeit strukturbefreiter Musik.
Auf dem Cover entbindet ein eleganter Seemann augenscheinlich eine Dame stilvoll von der Tomate, mit der sie schwanger gegangen zu sein scheint, die dahinter stehenden acht Songs sind allesamt nach Städten benannt, die Rodriguez-Lopez lieb und teuer sind (ansonsten aber keinen hörbaren Einfluß auf die „Kompositionen“ hier haben) und bewegen sich in einem Rahmen von im kürzesten Fall 30 Sekunden, im längsten immerhin knapp 16 Minuten. Soviel zu den Gegebenheiten aus denen man zumindest versuchen kann schlau zu werden – der Rest ist dann eine überfallsartige Schwemme aus Freejazz-Attacken, Prog-Instrumentenritten und vollkommen uferlos überfordernden Klangflickereien.
Mit ‚Los Sueños De Un Higado‚ oder ‚どういたしまして‘ – den bisherigen zwei Alben unter dem Omar Rodriguez Lopez Group-Banner – hat ‚Woman Gives Birth to Tomato!‚ jedenfalls wenig (die kurzen Live-Segmente) bis nichts (die Ausrichtung) zu tun, viel eher klingt die Dreiviertelstunde, als hätte Rodriguez die Jazz-Ambitionen seines selbstbetitelten 2006er Werkes in die experimentellen Extreme (oder eben: Richtung Unhörbarkeit) getrieben: der Kontrabass groovt also über nicht verfolgbare Strukturen, das Piano klimpert wild und exzessiv, Saxofone blasen energisch gegen jeden Strich, irre Soundeffekte kriechen unnachgiebig über wüst zusammengewürfelte Formen, das fulminante Schlagzeug brettert aus allen Schemen: ohne Landkarte lässt sich jedenfalls zu kaum einem Zeitpunkt mühelos ein Gefüge erkennen, den Vorwurf der reinen Zufälligkeit und Beliebigkeit wird sich ‚Woman Gives Birth to Tomato!‚ aus vielen Ecken gefallen lassen müssen – nicht immer zu Unrecht.
Fließen die unheilvollen Cello-Streicher in ‚El Paso Texas‚ über ein ausgemergeltes Electro-Skelett, während sich die Jazzkakofonie immer weiter auszubreiten beginnt, sollte klar sein: hier geht es niemals um den einfachen Konsum von Musik, vielleicht noch nicht einmal um Musik im eigentlichen Sinn. Viel eher ist ‚Woman Gives Birth to Tomato!‚ ein Noise-Sturm aus vertrackten Impressionen geworden, aus digitalen und analogen Extremen, ein Trip, der einer musikalischen Höllenfahrt gleich kommt. Oder einfach nur unhörbarer Krach, der sich selbst zu wichtig nimmt. Nicht einmal als Hardcore-Fanboy des Bosnian Rainbows-Vorstandes muß man diese Ausgeburt tonalen Irrsinns restlos toll, spannend, visionär oder auch nur ansatzweise sinnvoll finden. Wie immer bei Rodriguez-Lopez gilt jedoch: hat man sich erst einmal auf diese Herausforderung eingelassen, strahlt dieser Experimental-Free-Electro-Jazz-Sturm durchaus einen bizarr-irritierenden Reiz aus.
‚Woman Gives Birth to Tomato‚ im Bandcamp |
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