Sleater-Kinney – The Center Won’t Hold
Sleater-Kinney haben ein Album mit St. Vincent als Produzentin aufgenommen und sich durch (das irgendwo prophetisch betitelte) The Center Won’t Hold ein ganzes Stück weit als Synthie-Popband mit exaltiertem Körpergefühl neu erfinden können – darüber hinaus an diesem Prozess aber auch Schlagzeugerin Janet Weiss verloren.
Ein Pyrrhussieg, definitiv. Allerdings ist The Center Won’t Hold im Gesamten nun doch nicht die mit automatischem Fluchtreflex ausgestattete Totalkarambolage geworden, die der Abschied der Schlagzeugerin noch vor dem Release durch die schockierend saftlosen Vorab-Singles befürchten ließ.
Hurry On Home (dancepunkiger Waverock mit einem Drive zwischen schlechten Yeah Yeah Yeahs und Blondie, flott und catchy samt feinem Endspurt, aber ohne jeden Biss – das können auch all die flippig-hibbeligen Gesangsspuren im Hintergrund nicht kaschieren) beziehungsweise Can I Go On (ein unbeschwerter Beat begleitet eine maschinelle St. Vincent-Gitarre, die in die nonchalante Disco quietscht, null Entwicklung kennt und ernüchternd glattgeschliffen ins Ohr geht) sind für sich genommen immer noch enttäuschende Pop-Banalitäten an der fast schon penetranten Grenze zur gesichtslosen Gefälligkeit.
Allerdings funktionieren sie im Kontext der restlichen Platte nun zumindest halbwegs stimmiger, können sich auf ein wenig mehr Charisma verlassen.
Vielleicht lässt man The Center Won’t Hold deswegen auch noch aufdringlicher schwächelnde Stücke als diese durchgehen, obwohl diese das Niveau grundsätzlich allesamt nicht nach oben schrauben und zeigen, dass die Zusammenarbeit mit St. Vincent sich stark bemerkbar macht, aber überraschenderweise genau genommen weder in der Komfortzone der Band, noch in den angestammten Trademark-Hohheitsgebieten der Produzentin abspielt.
Reach Out stampft dort so catchy wie simpel, tauscht im übersättigenden Refrain die Synthies gegen eine Gitarre – nicht nur schlecht, aber so unfassbar bocköde. Love kann bis auf seinen plumpen Refrain wohl auch auf einem halbdefekten Keyboard samt rudimentär programmierter Drummachine gespielt werden, die billigen Hooks suggerieren zudem in zehn lieblosen Hochglanz-Sekunden hingekleistert worden zu sein. Und die polternde Begleitmusik für den Bad Dance wirft sich vielleicht mit schillernden Kostümen in Monster-Mash-Gemeinschafts-Choreografien, ist aber ein einfach nur plakativ nervendes Stück.
St. Vincent ersetzt insofern nicht nur hier die eigentlichen Stärken der Band ebenso wie auch ihren eigenen eigentlich so experimentellen Zugang zum Pop mit generischen Standards und identitätslosen Mustern, beliebig und ohne jede Angriffslust. Hauptsache Ohrwurm.
Selten aber doch mutet The Center Won’t Hold zwar doch wie eine Anlehnung an Annie Clarks eigenes Schaffen an – gerade das vermeintliche Herzstück Ruins wummert atmosphärisch und lethargisch dahin, schwingt sich erst spät ein bisschen eindringlicher auf. Dann klingen Sleater-Kinney allerdings wie schwache Kopiesten von St. Vincents persönlichem Reste-Archiv, bemüht und nur bedingt tiefgründig.
Deswegen führt The Center Won’t Hold auch vor, dass nicht zwangsläufig der Sound das alleinige Problem des neunten Sleater-Kinney-Albums darstellt, sondern auch das Songwriting an sich die angestrebte Entwicklung einfach zu selten tragen kann: Die Melodien und Strukturen gehen stets den Weg des geringsten Widerstandes, sind leicht zu durchschauen und neben ihrer gefügigen Eingängigkeit vor allem egal, die Rhythmen dahinter sind ebenso zweckmäßig und (nicht nur für Weiss) ermüdend einfach domestiziert.
Weswegen Carrie Brownstein nach einem kurzen Flirt mit der Option, Jeff Tweedy als zuständigen Betreuer zu engagieren unbedingt mit Annie Clark zusammenarbeiten wollte, zeigt sich dann allerdings anhand der gelungeneren Stücke sowie der wenigen – aber durchaus vorhandenen – Highlights der Platte.
Im so nett und kontemplativ plätschernden Restless mag der Refrain sich zwar feilbieten, der Rest ist jedoch eine angenehme Schönheit in Reminiszenz an Pattie Smith, während The Future is Here eine angenehme Zurückhaltung am Silbertablett an den Tag legt.
Kaum etwas falsch macht jedoch der Opener und Titelsong, der als elektronisch pulsierender Call and Response-Industrial in der fiebrig-wärmenden Fabrikshalle irgendwann ein organischeres Schlagzeug verlangt, bevor der Song über einen gespenstischen Gesang und Herzstillstand-Fiepen doch noch rockig explodieren darf: Da finden die Klangpalette von St. Vincent und die punkig-rohe Biestigkeit von Sleater-Kinney endlich zusammen und halten praktisch im Alleingang, was man sich im Vorfeld von dieser Kooperation versprach.
The Dog/The Body ist später ein entwaffnender Hit zum Niederknien, mehr noch, eine kleine Hymne, die mit ihrem hingebungsvollRefrain zum Besten gehört, was die Band je gemacht hat. Der Abgang von The Center Won’t Hold ist also auch durch die versöhnliche, am Piano stationierte Ballade Broke, die minimalistisch und genügsam dramatisiert, ein durchaus positiver, der auch über Gebühr entlässt.
Mit nur ein bisschen Abstand lässt sich allerdings nicht übersehen, dass Brownstein und Clark wirklich lieber außerhalb des Sleater-Kinney-Kontextes zusammenarbeiten hätten sollen. Das wäre nicht nur für den geneigten Fan die bessere Lösung gewesen, sondern wohl vor allem für die Band selbst.
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