Sweet Trip – A Tiny House, In Secret Speeches, Polar Equals

von am 27. Juni 2021 in Album

Sweet Trip – A Tiny House, In Secret Speeches, Polar Equals

Zwölf Jahre Auszeit haben den Sound von Sweet Trip nicht näher an den Zeitgeist geführt oder unmittelbarer gemacht, doch scheint A Tiny House, In Secret Speeches, Polar Equals das Momentum auf seiner Seite zu haben.

Ob das gefühlt gestiegene Interesse an dem Duo aus Kalifornien damit zu tun hat, dass in der Zeit seiner Abwesenheit Kollegen wie Tame Impala oder Beach House gewisse Aspekte des Sweet Trip‘schen Soundspektrums massentauglicher verfolgten, oder man gute Comeback-Stories (wie etwa anhand der ästhetisch ebenfalls nahverwandten Slowdive oder Hum nachvollziehbar werdend) einfach zu schätzen weiß, spielt eigentlich keine Rolle.
Zumal sich Roby Burgos und Valerie Cooper ohnedies primär auf sich selbst konzentrieren und die Referenzpunkte im eigenen Schaffen verorten: „The album was influenced heavily by the previous albums Halica: Bliss Out v.11, Velocity : Design : Comfort, and You Will Never Know Why in terms of technique and style.

Sweet Trip verrücken ihre Elektronik- und IDM-Ideen dabei vom Dreampop ausgehend weiter denn je in den Shoegaze und zur psychedelische Indietronica, Glitches begegnen im ganzen Verlauf, jedoch nur selten als tragendes Element. A Tiny House, In Secret Speeches, Polar Equals plätschert um unverfängliche Melodien, mit Beats und Synthies, Akustikgitarren und trippigen Kklangschleifen, gesäuseltem Gesang – mal wechselweise, dann im Duett. Sweet Trip legen ihre Rückkehr dabei komfortabel an, nehmen sich Zeit und Raum (und fallen gleichzeitig aus beiden Parametern), schwelgen, entziehen sich der Greifbarkeit und bleiben in einer Collage aus gleichermaßen mäandernden wie anderswo wieder impulsiv der Rastlosigkeit zugeneigten Ideen auf faszinierende Weise unverbindlich.

Das wundervolle Surviving a Smile pflegt entlang eines entspannten Rhythmus seine 80er-Ästhetik und The Weight of Comfort, This Rain is Comfort, This Rain is You franst als bittersüß-romantische Vintage-Illusion mit proggigen Drums in den nebulösen Space Rock aus. In Sound, We Found Each Other könnte eine tropikal-unwirkliche Entspannung a la Air sein, die vom formoffenen Pop sinniert, und Chapters ein Computerspiel-Soundtrack, der hinten raus dem Müßiggang aus anachronistischen Gitarrengeplänkel nachgibt. Eave Foolery Mill Five wirkt dagegen, als wären My Bloody Valentine von Grizzly Bear domestiziert worden, die eine anmutige, klatschende Trance um die majestätische Halluzination erzeugen, und Snow Purple Treasures ist eine intim gezupfte Miniatur, als hätten Phoenix sedativen Glitch-Pop mit fernöstlich dösender Nonchalance für sich entdeckt, in analytischer Ruhe meditiert. Come Spend the Night liebäugelt über weite Strecken mit dem Ambient, der tolle Schlußpunkt At Last a Truth That is Real nimmt behutsam und geduldig Anlauf und strahlt über Horizont, wohingegen You die Augen zum ätherischen Treiben schließt – nur um in ein diffus zerschosses Chaos aus Störgeräuschen zu kippen.

Tiny House, In Secret Speeches, Polar Equals was created out of the blue; nothing planned, not even a sense of direction, just out of strong emotions and pure love.“ gibt die Band zu Protokoll – und auch das hört man.
Weil Randfilt in einem homogenen Ganzen ein zerfahren gebasteltes Experiment ist, gefällige Stücke wie Walkers Beware! We Drive into the Sunziellos davonlaufend, oder nach dem Interlude Zafire Melts the Heart in Modulation mit Polar Equals ein Kaleidoskop aus Einzel-Segmenten steht (das zur Hälfte plötzlich abblendet um den Rock zu fokussieren, dann plötzlich einen flapsig pumpenden Arcade-Ladebildschirm zeigt und über ein neuerliches willkürliches Fade-Out-und-In einen schimmernd blinkenden Appendix skizziert).
Auch wegen derartiges Szenen, die dem Album mit 70 Minuten Spielzeit einige leere Meter verpassen, keine wirkliche punktuelle Katharsis oder überwältigende Klimaxe zulassen, funktioniert die Rückkehr von Sweet Trip durch einen unergründlichen Hybrid-Konstruktes primär als Ganzes, auch über sein relaxt ausgebreitetes Volumen erfüllend.

 

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