The Fratellis – Eyes Wide, Tongue Tied

von am 2. September 2015 in Album

The Fratellis – Eyes Wide, Tongue Tied

Mit zwei Alben ohne nennenswerte Langzeitwirkung im Rücken holten die Fratellis für ‚Eyes Wide, Tongue Tied‚ mit Tony Hoffer einen alten Bekannten zurück, der gleich mal nahezu alle Kompositionen über den Haufen warf, die das Trio bis dahin für ihr viertes Studioalbum parat hatte. Zu bedeutend mehr als supereingängigen Belanglosigkeiten konnte der Goldesel-Produzent seine schottischen Kunden bei der zweiten Zusammenarbeit allerdings nicht motivieren.

Nach dem längst wieder in der Vergessenheit verschwundenen ‚We Need Medicine‚ scheint auch den Fratellis endgültig klargeworden zu sein, dass trotz des konsequenten Recyclings der gefühltermaßen immer gleichen Melodien und Harmonien (ja, ‚Eyes Wide, Tongue Tied‚ transportiert vom Erstkontakt weg einen Beigeschmack aus wohliger Gewohnheit und aufgewärmtem Erbrochenen) ein zweites ‚Costello Music‚  in diesem Leben wohl nicht mehr zustande bringen werden. Aufgeben wäre aber wohl auch blöd, da das vor Hits überquellende Debüt von 2006 wohl immer noch am meisten Tantiemen in die Bandkasse spült. Der daraus resultierende Kompromiss in der Schnittmenge aus Aufbruchsstimmung und forcierter Wurzelsuche, also einfach drei Schritte zurück und einen zur Seite zu machen, erscheint insofern alleine marktwirtschaftlich durchaus nachvollziehbar.
Doch auch wenn ‚Eyes Wide, Tongue Tied‚ nun immer wieder (etwa in ‚Dogtown‚, einem aufgeblusteterten Manegenrock, der seinen einzigen Reiz im Grunde aus dem dreisten Klau bei ‚Come Together‚ von den Beatles zieht) ganz unkaschiert den Blick zurück auf die frühen Heydays der Band wagt, hat der bereits ‚Costello Music‚ und ‚Psycho Jukebox‚ betreuende Produzent Tony Hoffer die Fratellis durchaus ambitioniert überredet, ihr limitiertes Songwriting mit den Charakterzügen der Frühphase auf eine breitere Basis zu stellen. (Was im konkreten Fall freilich auch ein bisschen bedeutet: sich mit Standardrepertoire zwischen die Stühle zu setzen9.

Deswegen gibt es da nun also stacksende Squaredance-Tanzflächenreservierungen wie ‚Thief‚ und Synthiesprengsel im E-Drum-gestützten ‚Rosanna‚; mal möchten die beruhigenden Balladen wie in der romantischen Miniatur ‚Desperate Guy‚ an Two Gallants erinnern, dann entpuppt sich das entspannte ‚Moonshine‚ als halbokayer Versuch die Ruhe der Arctic Monkeys nachzuahmen. ‚Baby Don’t Lie to Me‚ adaptiert hingegen mit mäßigem Erfolg im Windschatten von Brandon Flowers jene Art von euphorisierenden Las Vegas-Rock, den die Killers wohl selbst heute noch schillernder hinbekommen haben.
Dass ‚Eyes Wide, Tongue Tied‚ in den USA aufgenommen wurde, soll man zwischen Americana- und Rockabilly-Versatzstücken offenbar generell zu jedem Zeitpunkt hören – nicht nur, wenn ‚Impostors (Little By Little)‚ Slidegitarren und Countryflair auffährt, oder ‚Me And The Devil‚ seine Karten kurzweilig auf den Saloontisch stampft und sich letztendlich über schlichtweg ermüdende fünfeinhalb Minuten ausstreckt – ihre harmlos aufdringlich eingeölten Melodien quälen die Fratellis in den Refrains eben immer noch nur zu gerne bis zur Nervgrenze; malträtierende Penetranz gehört beinahe zu den Trademarks der Glasgower.

Die Probleme der Band bleiben dabei allerdings trotz eines gesteigerten Zugs in die Gehörgänge dieselben wie auf ‚Psycho Jukebox‚: Songs wie das Potential verschwendende ‚Rosanna‚ oder das schöne, still ausgelegte ‚Slow‚ tragen zumeist überdeutlich die Quintessenz von Jon Fratellis angestammten, immens catchy auftretenden Songwriting in sich, schaffen es jedochzu selten auch wirklich über die volle Distanz zu fesseln, sondern erschöpfen sich an ihrer bedingungslosen Zugänglichkeit. Den kantenlosen Einzelteilen von ‚Eyes Wide, Tongue Tied‚ geht schnell die Luft aus; selbst wenn ‚Getting Surreal‚ hinten raus Psychedelikgesten (!?) auspackt, wirkt das alsbald schlichtweg langweilig, generiert  und abermals auf erschlagend angestrengte Weise unangestrengt. Hängen bleibt deswegen nach der unmittelbaren Übersättigung abermals wenig – was natürlich nicht bedeuten soll, dass man von der eindimensional ausgeschwitzten ‚Costello Music‚-C-Seite ‚Too Much Wine‚ nicht doch in eine ausgelassene Stimmung versetzt werden kann.
Denn plump ist das alles, aber keineswegs gänzlich uncharmant. Album Nummer 4 schafft es zudem  mehr als jede andere Platte seit dem Erstling auf fast schon nostalgische Art in Erinnerung zu rufen, wofür man den Megaseller von einst auch heute immer noch schätzt.
Vielleicht ist ‚Eyes Wide, Tongue Tied‚ in gewisser Weise sogar eine Art bemühtes, abwechslungsreiches Déjà-vu zum zehnjährigen Debüt-Jubiläum, dem man den Willen nicht absprechen will, sehr wohl aber das nötige Gefühl. Es spricht jedenfalls Bände, dass die Fratellis erst mit dem zackigen ‚Down the Road and Back… Again‚ und der torkelnden Gefühlsduslei ‚Medusa In Chains‚ in den Bonustracks auf eine kurzweilige und schmissige Art aufzeigen, dass sie abseits des Albumdrucks (wenn schon nicht vieles richtig, dann zumindest) deutlich weniger falsch machen könnten.

04

[amazon_link id=“B00YH41NLK“ target=“_blank“ ]Vinyl LP auf Amazon[/amazon_link] | [amazon_link id=“B00YH41NUG“ target=“_blank“ ]CD auf Amazon[/amazon_link] | [amazon_link id=“B00YCRNF40″ target=“_blank“ ]MP3 Download auf Amazon[/amazon_link]

Print article

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen