The Smashing Pumpkins – Shiny and Oh So Bright, Vol. 1 / LP: No Past. No Future. No Sun.
Aus den angekündigten EPs wurde umständlicherweise kurzerhand ein Album zusammengepfuscht, während Rick Rubin den Sound torpediert: Drei Viertel der Originalbesetzung der Smashing Pumpkins vertändeln die Möglichkeit, mit – Luft holen! – Shiny and Oh So Bright, Vol. 1 / LP: No Past. No Future. No Sun. eine tatsächlich begeisternde Rückkehr zu veröffentlichen.
Dass Billy Corgan im Vorfeld dieses gefühltermaßen neuerlich als Comeback antretenden offiziellen zehnten Studioalbum der 90er Ikonen die Aussöhnung mit seinen ursprünglichen Bandkollegen suchte (und sich im Gegensatz zu den heimgekehrten James Iha und Billy Chamberlain mit D’arcy Wretzky medienwirksam in die Haare geriet – den maroden Verkaufszahlen der folgenden Tour übrigens nicht den kalkulierten Aufwind gebend), darüber wurde bereits Anfang des Jahres ausgiebig vom Feuilleton berichtet.
Dass Corgan die Friedenspfeife auch während des Entstehungsprozesses einer Platte mit subjektiv längerem Titel als Spielzeit (32 Minuten) mit ermüdender Konsequenz in Griffweite behalten zu haben scheint, zeigt sich aber erst jetzt: Shiny and Oh So Bright, Vol. 1 / LP: No Past. No Future. No Sun. klingt, als würde Corgan die um jeden Preis bemüht konfliktfrei bleibende Reunion keinerlei Risiken eingehen lassen, seine Pumpkins immer glatt und stromlinienförmig ausrichten, weitestgehend bekanntes Terrain pflichtbewusst abschreiten. Aber man weiß: Ein Corgan, der niemandem mehr etwas beweisen will, ist natürlich niemals so gut wie ein hungriger, getriebener und von Ambitionen zerfressener Corgan.
Dabei deutet zumindest der Opener Knights of Malta an, sich aus dem Fenster lehnen zu wollen, sogar ein bisschen nach den Sternen zu greifen. Opulente Arrangements, dramatische Streicher und direkt aus dem Soul impotierte Gospel-Backingchöre simulieren zumindest die große Geste außerhalb der Komfortzone. Doch im Grunde führt dieser Einstieg nur insofern nicht auf die falsche Fährte, als dass bereits hier der catchy Pop-Refrain (mit nervtötendem Vorschlaghammermantratext: „Woah-woah-woah-woah-woah, woah/ We’re gonna make this happen/ Woah-woah-woah-woah-woah, woah/ I’m gonna fly forever/ Woah-woah-woah-woah-woah, woah/ We’re gonna ride that rainbow/ Woah-woah-woah-woah-woah, woah„) unzählige Male wiederholt wird, während der gesamte Sound ernüchternd soft und ohne Druck daherkommt.
Die Produktion von Rick Rubin erweist sich ohnedies als massive Achillesferse der Platte: Absolut weichgespült tändelt Shiny and Oh So Bright, Vol. 1 / LP: No Past. No Future. No Sun. gemütlich, milde und angepasst, gerade die Rhythmussektion darf offenbar keinerlei Biss oder impulsive Energie zeigen. Anstatt sich auf die packende Kraft der an sich großartig aufeinander eingespielten Band zu konzentrieren, schaffen es The Smashing Pumpkins mit Rubin als Strippenzieher trotz der allgegenwärtigen Kompaktheit nicht, Dringlichkeiten aufzubauen, markant aus dem Midtempo auszubrechen und die Kompositionen in einer zwingenden Performance zu verdichten.
Wenn etwa Solara den Pegel in Sachen riffelnder Rock-Intensität ausnahmsweise marginal nach oben kurbelt und verkrampft in großen Fußspuren stampft (weil die Platte gerade den No Past.-Teil immer wieder geflissentlich ignoriert) bis man instinktiv „despite all my rage I am still just a rat in a cage“ schreien möchte, da sich Corgan so unverhohlen an Bullet With Butterfly Wings schmiegt, folgt stattdessen der Sturm im Wasserglas, direkt in the middle of the road: Ein Dienst nach Vorschrift ohne auslaugenden Exzess, der den Spannungsbogen der Platte zur Mitte hin zumindest ästhetisch ein wenig anzieht, doch gerade in derartigen Momenten hätte es eines Produzenten bedurft, der der Band den nötigen Arschtritt gibt, ein bisschen Hemmungslosigkeit provoziert.
Auch im etwas biestiger zu Werke gehenden Marchin‘ On wird ein feines Riff installiert, metallisch und protziger, aber spätestens im Refrain fixiert sich der Mix wieder symptomatisch für die Platte zu sehr auf das Schlagzeug sowie dem handzahmen Gesang, lässt dem komprimierten Rest – gerade den domestiziert nur im Hintergrund dümpelten Gitarren – keinen Auslauf und Raum. Alienation beginnt entsprechend als stampfende Synth-Klavierballade mit Akustikgitarre und hätte verträumter Pop sein können, doch wenn der Climax der Nummer erreicht sein sollte, verhindert die gleichbleibende Dynamik der Inszenierung jeden packenden Ausbruch, der über den generischen Refrain mit Nervpozential wegsehen lassen hätte können.
Schließlich krankt die Platte nur zum einen am Outfit – das grundlegende Songwriting und Auftreten ist das andere Thema: Dem im Ansatz charakteristischsten Material unter dem Bandbanner seit mindestens Zeitgeist fehlt jeglicher Furor, die Megalomanie, die Exzentrik, auch das Genie, die aus durchwegs soliden bis guten Songs wirklich herausragende machen würde.
Silvery Sometimes (Ghosts) mutet beispielsweise unmittelbar klassisch an, plätschert assoziativ zwischen Machina/The Machines of God und Siamese Dream mit einer latenten Prise Mary Star of the Sea-Optimismus dahin, doch jegliche Entwicklung oder Geistesblitz bleiben im Verlauf aus. Die Single spult gefällig ihr Programm ab und verschwindet eindruckslos, dient womöglich alleine dem Zweck Nostalgiker an Bord zu holen und sich entlang der Erwartungshaltung möglichst kantenlos und ohne Störung in das Live-Repertoire einzufügen.
Auch Travels pflegt seine schwelgende Anmut, doch hinter der Schönheit keimt stets ein unerfüllbarer Wunsch nach ein bisschen Aggressivität, mehr radikalere Angriffslust. Stattdessen serviert das Quartett eine wohlige Nabelschau, die auf Schienen läuft und anstatt auszubrechen eben bekömmliche Synthies zu den langweiligen Streichern schickt, die Gitarren verpuffen lässt – nur nicht ungemütlich werden, niemandem wehtun!
Das schöne With Sympathy zeigt deswegen zwar eine bezaubernde Einfühlsamkeit in der Tradition von balladesken Grazien wie Try, Try, Try, doch die wirklich große Hook, eine unsterblich krönenden Melodie fehlt, die Corgan früher aus der Melancholie herauskämpfen hätte lassen. Und das abschließende Seek And You Shall Destroy ist eine irritierende Ambivalenz aus abgehakten Riffs im Glam und einem zur guten Laune galoppierenden Chorus, konterkariert praktisch Metal mit purem Pop durchaus infektiös, verkauft das Album aber noch einmal weiter unter Wert, indem die zu abrupt gekappte Fingerübung eher wie ein spontanes Intermezzo anmutet – als Closer unpassend, als Schulterschluß zu Vol.2 womöglich aber zweckdienlich.
Überhaupt will Shiny and Oh So Bright, Vol. 1 / LP: No Past. No Future. No Sun. als für sich stehendes Album ganz allgemein nicht wirklich schlüssig funktionieren, wirkt wie eine lose zusammengesetzte Songsammlung – die die Platte aus dem Entstehungsprozess heraus ja auch ist.
Was man den Pumpkins dabei allerdings doch zu gute halten muss ist, dass sie trotz all dem liegen gelassenen Potential emotional einen Draht zu ihrer Basis gefunden haben, sich Vol.1 mehr als Nachhausekommen anfühlt, als jeder Aspekt des Teargarden by Kaleidyscope-Zyklus und die Diskografie der Band zwar um keine herausragenden Highlights, aber acht mehr oder minder gute Standards erweitert wird. Weder wirklich gut noch unbedingt schlecht. Die Platte dezitiert nicht zu mögen oder tatsächlich enttäuscht zu sein, fällt zudem schwer – die Pumpkins auf Kuschelkurs drücken versöhnliche Knöpfe bei langjährigen Fans. Gerade in seiner vertrauten Zuverlässigkeit und nostalgischen Verbundenheit läuft das nüchtern betrachtet mediokre, wohl zu überstürzt veröffentlichte Shiny and Oh So Bright, Vol. 1 / LP: No Past. No Future. No Sun. deswegen auch ungemein angenehm nebenbei, bietet auch dem Hörer die Friedenspfeife an.
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