Biffy Clyro, Dry the River [19.11.2013 Gasometer, Wien]

von am 21. November 2013 in Featured, Reviews

Biffy Clyro, Dry the River [19.11.2013 Gasometer, Wien]

Hymnen, Hits und Ohrwürmer aus allen Rohren: Biffy Clyro sind längst die größte kleine Rockband des Planeten – an der jeder teilhaben darf und kann. Vor der inhomogenen Fanmasse des Gasometers beschließen die drei Schotten ihre aktuelle Arena-Tour jedenfalls fulminant.

Bis es soweit ist kämpfen allerdings die ins Vorprogramm zurückgekehrten, großartigen Dry the River pünktlich ab 20.00 Uhr erst einmal mit den üblichen Problemen des Veranstaltungsortes: hier ist jede (Vor-)band für die Besucher in der Nähe der Schankbuden offenbar nicht mehr als eine störende Hintergrundgrundbelästigung beim unbedingt zu führenden Gespräch, die Briten zudem (obgleich Headliner-erprobt) ein klein wenig verloren im bereits zu Beginn ordentlich gefühlten Raum der Halle, zumal instrumentale Feinheiten wie die Fidel im Gesamtsound nahezu komplett untergehen. Nicht ohne Reibungsverlust zündend funktioniert der tolle Folkrock des Quintetts dennoch, fokussiert mit Schmackes auf die aggressiveren Untertöne, was das Schlagzeug von Jon Warren phasenweise fast schon Richtung einer dezenten Metal-Affinität schiebt. Das leider äußerst kompakte Sets zirkuliert dabei weitestgehend um Ausschnitte des Debütalbums ‚Shallow Bed‚, hat mit ‚New Ceremony‚ und vor allem ‚No Rest‚ die fettesten Hits natürlich im Gepäck und fächert sich mit ‚Demons‚ am Ende sogar in aller Exaltiertheit zu einem mehr als imposanten Ausflug in den kakofonischen Postrockfeuerwerk auf.

Frenetischer Applaus nach dem Auftritt kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Masse aber natürlich dennoch einzig und allein wegen Biffy Clyro gekommen ist: die 40 jährigen in Lederschuhen, die sich ab ‚Black Chandelier‘ mit Victory-Zeichen beim Crowdsurfen feiern lassen; die jungen Mädels mit fixiertem Blick auf den wie immer oben-ohne schwitzenden Schottentrio; die älteren Semester, die ohne Stillhalten zu können neben verliebten Pärchen stehen, deren Umarmungen bei ‚Many of Horror‚ oder ‚Opposite‚ natürlich besonders innig und schmachtend werden. Kurzum: spätestens seit dem diesjährigen Doppelalbum ‚Opposites‚ ist Biffy Clyro die ultimative Alternative Rock-Kombo mit Hit-Garantie für alle Altersschichten und quer durch jede Sozialisierung hindurch. Ein Status, den die Band nach dem zu vernachlässigenden – aber eben auch punktgenau passenden Intro aus der Konserve (‚We Are Family‚) – über die genormten 19 Songs und 3 Zugaben am letzten Tag ihrer aktuellen Tour aufs imposanteste unterstreicht.

Different People‚ mach dabei wie auf Platte den Bomben-Opener, die oppulente Setlist hangelt sich von Highlight zu Highlight entlang der Format-Feuerwerke ‚Opposites‚, ‚Only Revolutions‚ und ‚Puzzle‚ – mit ‚Glitter and Trauma‚ (samt händischer Stroboskop-Show) und ‚57‚ (wird live weiterhin beschleunigt ins Rennen geworfen) haben da leider/verständlicherweise nur zwei Stücke der ersten 3 Alben Platz in der homogenen Songauswahl.
Der Sound ist dabei enorm fett, druckvoll und bisweilen auch härter als auf Tonträger, mit Hilfe der fein gekleideten British Theatre und Ex-Oceansize-Spezialisten Gambler und Mike Vennart dazu auch ähnlich facettenreich – sportliche Trompetenimitation in ‚Spanish Radio‚ oder etwaiger Bombast sind jedenfalls ebenso kein Problem wie alles umreißende Gitarrenrammböcke im orgasmisch ausholenden ‚Stingin‘ Belle‚. Dass das von der ersten Sekunde an absolut textsichere Publikum reagiert auf die Wucht der Performance mit der Fortdauer des Auftritts mit einer Auflockerung der eingangs noch etwas statischen Betrachtung, irgendwann werden gar die unvermeidlichen Feuerzeuge ausgepackt, Sprechchöre inszeniert, Fahnen geschwenkt und an geprobte Choreographie gemahnende Gemeinschaftsaktivitäten erprobt. Das Publikum frisst der exzellent in die Vollen gehenden Band förmlich aus der Hand, die Begeisterungswellen die Biffy auf den britischen Inseln auslösen lässt sich im Ansatz erahnen. Die Spielfreude überträgt sich dabei in beide Richtungen, Bassist James versucht es mit euphorischen Versuchen der deutschen Sprache mächtig zu werden („Danke schön!„, „Wunderbar„, etc.) zu danken, purer Enthusiasmus liegt in der bestmöglich bespielten Halle – dass die Band vom besten Österreich-Gig des Jahres spricht klingt gar nicht so abwegig.

In diesem Umfeld zünden Hymnen wie ‚Biblical‚ aufgrund des erhöhten Schweißgehalts und aus zahlreichen Kehlen gegröhlt natürlich auch weitaus weniger poliert als auf ‚Opposites‚, die ins Unendliche verzögerte Explosion von ‚Living Is a Problem Because Everything Dies‚ gelingt ekstatisch, während der alleine von Simen Neil dargebotenen Performance der Acoustic-Songs ‚The Rain‚ und mehr noch ‚Folding Stars‚ gehen Gänsehaut und feuchte Augen im (mutmaßlich) nahezu ausverkauften Gasometer umher. Biffy produzieren eben auch in den reduzierten Momenten rundum großes Kino mit noch größerer Breitenwirkung.
Mag man da auch grndsätzlich die Anfangsphase der Band bevorzugen: das Ding mit den absolut konsenstauglichen Hits auf bodenständig gebliebenen Schultern haben Biffy Clyro einfach unschlagbar versiert heraußen, in dieser Hinsicht kann ihnen aktuell kaum jemand das Wasser reichen. Zwei Stunden Spielzeit verfliegen so im reinsten Endorphin-Rausch, der Alternativen-Mainstream wird ein klein wenig durchgerüttelt. Einen deswegen weitestgehend makellosen Konzertabend kann da nicht einmal die Erkenntnis trüben, dass der Merchstand längst auch mit Preisen der dicken Oberliga-Fische ausgestattet ist – Biffy Clyro sind weiterhin auf dem Weg die Weltherrschaft zu errocken.

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