Mumford & Sons – Babel

von am 20. September 2012 in Album

Mumford & Sons – Babel

Wer sich schon mit ‚Sigh No More‚, diesem variationslosen, bedeutungsschweren, monotonen, allerwelts logischerweise durch die Decke gehenden Baukastenalbum schwer getan hat, wird an ‚Babel‚ ebenfalls verzweifeln können – haben Marcus Mumford und seine Nicht-Söhne doch weitestgehend einfach das selbe Album noch einmal aufgenommen. Nur irgendwo in dezent besser.

Melodramatische, im Großen und Ganzen frei assoziierende Texte in gefühlsgewaltig ausufernden Melodien, die so zuverlässig zur großen Geste anschwellen, wie irgendwann noch Bläser oder Streicher die ultimative Dramatik hervorheben, die Akustikgitarre im keltisch angehauchten Folkgewand mit reinrassigem Popappeal und traurig stimmenden, Hoffnungen spendenden Breitbandszenario mit Bombastvorliebe. Vor allem aber: immer wieder das stupide auf den Punkt stampfende Bass Drum-Schlagzeug ohne Variation und das so verdammt energisch hibbelige Banjospringen, immer wieder, in gefühltermaßen jedem einzelnen Song. Mindestens. Die Scooter des Folkpop.
Keine Frage, ‚Sigh No More‚ hatte seine Momente, hatte vor allem seine Hits und dazu ausschließlich Ohrwürmer, die für sich genommen alle eine kurze Zeit funktionierten. Dabei die Massen mitrissen, all jene also, denen es egal war, dass Mumford & Sons den totsicheren Chartbreaker ‚The Cave‚ zwei Songs später als ‚Roll Away Your Stone‚ einfach noch einmal aufgenommen hatten, wo es ohnedies keine Rolle spielte, dass ein Déjà-vu das nächste jagte, weil: kennt man einen Song der Band kennt man alle, die Variation ihrer ergreifenden Melodien und abwechslungsreiche Verpackung ist nicht Sache von Markus Mumford und den seinen. Warum aber an dieser Stelle soweit ausholen und die Vergangenheit aufkochen?

Einfach, weil Mumford & Sons im Prinzip genau das selbe auf ‚Babel‚ tun. Zwölfmal am Stück recyclen die Engländer ihr Debütalbum als Paradebeispiel einer mutlosen Wiederholungstat, die es sich gar nicht leisten will nicht auf Nummer Sicher zu gehen, steht doch zuviel auf dem Spiel: Erwartungshaltungen allerorts; Verkaufszahlen die erreicht werden müssen; Fanherzen, die erreicht und erweicht das Lichtermeer vor den größer werdenden Bühnen noch heller strahlen lassen sollen, während die Kehlen der Massen inbrünstig mit geschlossenen Augen wieder heiser gesungen werden. Einzig: die richtig überlebensgroßen Konsenshits, die fehlen ‚Babel‚ dafür, reichlich vertraut klingendes, sich hartnäckig in den Gehörgängen festkrallendes Kanonenfutter ist jedoch zur Genüge vorhanden. Und das ist auf Albumlänge tatsächlich auch besser so. Allein der Vorabbote ‚I Will Wait‚ versucht sich als beinharter Nachfolger für ‚The Cave‚ und ‚Little Lion Man‚, kündigte ebenso erfrischend unverbraucht wie ermüdend wiederholend von ausschließlich beibehaltenen Trademarks mit zupackenden Beziehungslyrics und vor allem künstlerischem Stillstand als Aufguss,  dem man den gewissen Charme nicht aberkennen konnte, der sein Wohlwollen jedoch auch (noch) durch seine momentane Unabgenütztheit bezieht. Ein verschwenderischer Vorzug, den sich ‚Babel‚ trotz wiederverwerteter Melodiefolgen und Arrangements, Texturen und leidlich umgestalteter Hooklines (einstweilen) an die Brust heften kann.

So startet ‚Babel‚ mit seinem Titeltrack ambitioniert stampfend, natürlich, vielversprechend aber, Mumford steigert sich stimmlich hörbar gewachsen inbrünstig in seine selbstaufmunternden Texte, will alles noch größer, besser, schöner, mächtiger machen als bisher – doch bereits das folgende ‚Whispers In The Dark‚ (wieder so ein penetranter Chart-Aspirant mit der Brechstange) unterstreicht unmissverständlich an, dass hier weitestgehend alles beim alten geblieben ist, der letzte Schritt nicht getan werden wird. Dass die Gitarre ein wenig Strom zugeführt bekommt? Geschenkt. Dass das im Grunde ergreifende ‚Ghosts That We Knew‚ als getragene Pianoballade (die Geige der Live-Version fehlt nahezu vollständig) wohl umwerfend wäre? Unwichtig, weil das Banjo ohnedies gleich wieder in den Song grätscht, der Beat eben einmal weniger schnell und laut gestampft betont wird. Diese phasenweise unfassbare Vorhersagbarkeit im Songwriting ist es dann auch wieder, die weitaus schwerer wiegt, als jedweder fehlende Wille/Mut zur Weiterentwicklung –  was Mumford & Sons ohnedies die zwei Seiten der selben Medaille sind  – denn niemand hätte wohl ernsthaft erwartet, dass hier plötzlich Metalgitarren durch Electrobeats hasten. Umso erfreulicher also, wenn ‚Lover Of The Light‚ allein aufgrund seiner ausgefalleneren Rhythmusarbeit (wie fantastisch wäre das überhaupt erst mit ausgefuchsterem Schlagzeug?) neue Wege sucht und der ausgelutschte Folkpop der Band damit weniger erwartete Perspektiven bekommt, die das reduzierte ‚Lovers‘ Eyes‚ mit seinen dezenten Vocal-Effekten nur zu gerne aufnimmt. Bis zur letzten Minute, wo dem Pathos Tür und Tor geöffnet wird und Banjo-gestemmtes Stampfen längst eingesetzt hat.

Dennoch sucht ‚Babel‚ den Weg zur Eingängigkeit geschickter als sein Vorgänger, dezent variantenreicher trotz der exakt gleich Mittel. Es ist nicht so, dass ‚Babel‚ per se komplizierter wäre als ‚Sigh No More‚, genau genommen hat es sogar die dezent schwächeren Songs parat, diese dafür aber weniger offensichtlich und aufdringlich zubereitet. Insofern macht ‚Babel‚ auch deutlich mehr richtig als sein Vorgänger, hofiert die Eingängigkeit nicht gar so penetrant und bringt auf Albumlänge alleine durch das auch einmal verabschiedete Stampfen-mit-Banjo-Prinzip weitaus mehr Spannungsbögen zustande als ‚Sigh No More‚. Indem ein ‚Reminder‚ der Platte Platz zum atmen verschafft, darf ein ‚Hopeless Wanderer‚ dann auch gerne wieder die Keule auspacken, wie generell auch in textlicher Hinsicht: von „When I’m on my knees I still believe/ When I hit the ground/ Neither lost nor found/ If you believe in me, I still believe“ zu „I was to slow to depart/ I’m a cad but I’m not aflawed/ I set out to serve the Lord.“ wird der Deutungsspielraum im ansonsten aufgewühlten Beziehungsgeflecht jedenfalls immer geringer, der Glaube tritt stärker in den Vordergrund, was dann auch irgendwo gut zur frommen, brav abliefernden Stimmung passt.

Wer sich also schon mit ‚Sigh No More‚, diesem variationslosen, bedeutungsschweren, monotonen, allerwelts logischerweise durch die Decke gehenden Baukastenalbum schwer getan hat, wird an ‚Babel‚ ebenfalls leicht verzweifeln können – haben Marcus Mumford und seine Nicht-Söhne doch weitestgehend einfach das selbe Album noch einmal aufgenommen. Nur irgendwo eben in dezent besser.
Verläuft doch allein die Entwicklungskurve des Zweitwerks im direkten Vergleich nahezu umgekehrt proportional zum Vorgänger: wo dort nach dem dritten Durchgang bereits die Nerven malträtiert wurden, beginnt hier erst ein leises Wachstum.  Dass ‚Babel‚ letztendlich auch deswegen „besser“ geworden ist als sein Vorgänger, weil Mumford & Sons nicht mehr ausschließlich mit anstandsloser Vehemenz in den Vordergrund drängen, sondern – vor allem gegen Ende hin – auch einmal wenig aufregend und beinahe angenehm belanglos im Hintergrund düdeln können, hängt aber auf der selben Waagschale, wie die Tatsache, dass das doch beschränkte Songwriting Mumfords hier auch an seine Grenzen geführt wird und das ähnlich verankerte Kombos derartige Musik doch spannender oder zumindest ähnlich gut hinbekommen.
Am gefälligen Erfolg, den der leidenschaftliche Aufguss (was ja an sich eine hervorragende Sache sein kann, wenn man seine Nische gefunden hat) ohne Zweifel einfahren sollte, wird dies freilich nichts ändern. Ebenso wenig wie die Gewissheit, dass ‚Babel‚ für die treu ergebene Anhängerschaft deren imaginäre Listen an Mumford & Sons-Lieblingssongs gehörig durcheinander wirbeln wird. Beim dritten Anlauf wird man sich freilich trotzdem etwas mehr einfallen lassen müssen.

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