40 Watt Sun – Perfect Light

von am 31. Januar 2022 in Album, Heavy Rotation

40 Watt Sun – Perfect Light

Die schleichende Metamorphose ist abgeschlossen: Perfect Light hat mit Doom kaum noch etwas zu tun und positioniert Patrick Walker vielmehr als Slowcore-Fackelträger – auch im Windschatten des späten Red House Painters-Erbes.

40 Watt Sun Kil Moon? Zumindest erinnert die Ästhetik des dritten Langspielers von Walker nach dem Ende von Warning immer wieder frappant an die meisterhafte Frühphase (bis einschließlich April) von Mark Kozeleks aktueller, sowie den Ausläufern seiner ersten großen Spielwiese: Vor allem das überragende Behind My Eyes mit seiner geduldig oszillierenden, getragen perlend die Gedanken schweifen lassenden Gitarre. Das Schlagzeug wischt dazu mit dem Besen vorsichtig aus dem Hall, die Gesangsmelodie klingt, als würde sie weit in der Erinnerung verwurzelt schon ewig Trost spenden. Ein Klavier träumt hier zudem formoffen und dezente Soundschleier geistern wie Nebel am Horizont einer Platte, die stets so distanzlos und unbedingt intime Nähe bietend agiert, ohne sich aufzudrängen oder den persönlichen Raum des Hörers zu belästigen.
Kleine Amplituden in der Dynamik lassen die introvertierte Gangart dabei nie ins lethargische gleiten, stattdessen bekommt Walker einen flehenderen, beschwörenderen Unterton, verzichtet aber genau genommen darauf, die Intensität zu ändern. Dennoch entwickelt Behind My Eyes in seiner ästhetisch und stilistisch absolut in sich geschlossenen Form (die so mancherorts sicher auch als Gleichförmigkeit abgeurteilt werden wird) symptomatisch ein Finale, das sich als erfüllende Abschluss der melancholisch wiegenden Ruhe anfühlt, als rundes Conclusio.

Und während auch The Spaces in Between (ebenfalls primär aufgrund der pepetitive pendelnden, cleanen und warmen Gitarre, die die erste Reihe nachdenklich mit einem wattierten Piano wechselt und der kontinuierlichen Lichtung der 40 Watt Sun-Plattencover folgend einen vergänglichen Optimismus durch die Traurigkeit schimmern lässt, derweil Walker mit geschlossenen Augen somnambul schwelgt) oder das kontemplativ gezupfte A Thousand Miles assoziativ die Nähe zu Sun Kil Moon suchen, ist Perfect Light freilich vor allem die evolutionäre Fortsetzung zu The Inside Room (2011) und Wider than the Sky (2016). Der Doom ist nur noch noch als jenes Gewicht zu erkennen, das Walker als emotionale Last auf seinen Schultern trägt – erstmals auch ohne die Unterstützung durch eine Band im klassischen Sinn. Doch die Beiträge von u.a. Andrew Prestidge und Roland Scriver (The Osiris Club), Ajit Gill (Vertaal), Lorraine Rath (Amber Asylum/Worm Ouroboros) sowie Pianist/Composer Chris Redman sind allgegenwärtig, tragen die Basis von 40 Watt Sun gefühlt auf eine in den Nuancen sorgsamer (vielleicht sogar variabler?) ausgeschmückte Basis und Reichweite.

Gleich Reveal zelebriert die Melancholie im zurückhaltenden Minimalismus einer simplen Akustik, lässt sich jedoch ansatzlos von einer weiblicher Stimme im Hintergrund begleiten, hebt die weihevolle Grandezza der bescheidenen Arrangements auf ein Podest, das in Zeitlupe schwofend bezaubert. Der an Gravenhurst gemahnende Opener hat ein Charisma, das sofort in den Arm nimmt, etwas unbedingt ehrliches artikuliert, keine künstliche Attitüde einräumt, sondern in Sehnsucht sinniert. Nach knapp dreieinhalb Minuten geht das Firmament mit Streichern subtil strahlend kurz auf, bleibt auch dabei jedoch behutsam und auf bestimmte Weise fragil, zart und vorsichtig, anmutig, und zieht sich alsbald wieder in seine Wundpflege zurück.
Die Kunst von 40 Watt Sun ist schon hier mehr denn je eine der kleinen Gesten, die Größe der dabei freigesetzten Magie bewegt heimliche Berührungspunkte. Das Songwriting wirkt gleichzeitig zeitlos und vertraut, bevor die letzte Minuten den verdienten Klimax im Singer-Songwriter-Zentrum beschwört: „Oh, Ophelia/ I’m strong enough to lift you up“.

Sind 68 Minuten auch Zuviel des Guten, ja konnte man die Vorgängerwerke aufgrund ihrer gelegentlich aufschrammenden schrofferen Texturen auch noch ein Quäntchen besser finden, existiert (das an dieser Stelle zwischen den Punkten liegend mit Fanbrille aufgewertete) Perfect Light in seinem eigenen Kosmos, gibt dem Projekt ein Profil, das noch näher am Charakterkern verankert zu sein scheint. Das mit Shoegaze und Dreampop-Tendenzen liebäugelnde Until holt dafür alle ab, die an den Vorgänger ihr Herz wahrhaft unsterblich verloren haben, wohingegen Colours friedvoller Folk ist, der wie leichter Morgentau dräut – die für Walker typischen Signaturen beseelt pflegend. Im seinem minimalistischen Thema stoisch folgenden Raise Me Up singt der Engländer phasenweise jedoch dennoch gar elaborierter und theatralischer aus sich herausgehend, behält aber die Contenance einer ergreifend beschworenen Zurückhaltung: „Maybe I’m losing both of us –Tell me I’m not“. Die Romantik dieser Platte gleicht einer leidenschaftlichen Tragödie, die ihre Hoffnung niemals aufgeben wird.
Spätestens wenn Closure versöhnlich in sich selbst ruhend kaum greifbar verglüht und seine stille Unscheinbarkeit zur Tugend erhebt, dann ist Perfect Light eine liebevolle Katharsis und weise Reise, die (ebenso entgegen seines Titels wie diesem absolut entsprechend) gerade in den dunklen Stunden eher absolut erfüllend denn überwältigend funktioniert und in die Finsternis hinein eine lichtspendende Stimmung erzeugt, die trotz aller Assoziationen und Referenzen beispiellos ist –  selbst als weiterer langsam in das wohlige Denkmal des Patrick Walker hineingestreichelter Baustein, der in seinen pursten Momenten gar lebensrettende Erkenntnisse anbieten kann. „If you were here to ask me/ What I now believe, I’d say/ ‘life can never be held/ But only lived.

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