40 Watt Sun – Little Weight
Little Feather ist für 40 Watt Sun keine Rückkehr zum Doom Metal, doch schließt Patrick Walker den Slowcore-Kreis stilistisch durchaus ein gutes Stück weit zu The Inside Room, während sich inhaltlich ganz neue Hoffnungsschimmer auftun.
Wenn der Paradigmenwechsel Perfect Light als bestes Album des Jahres 2022 das unendlich melancholische Durchbrechen der Wolkendecke in einer Diskografie voller Trauer und Schmerz war, um im ruhigen Auge des Sturms, am Kern der Katharsis, durch seine Schönheit vielleicht mehr zu schmerzen, als jedes andere Album von Patrick Walker, ist Little Feather mit ein bisschen mehr brutzelnder Heaviness im Sound gewissermaßen der Aufbruch zur Rückkehr in jene Gefilde nach dem Ende von Warning beherrschten. Oder: Ein an Perfect Light gewachsener Patrick Walker stellt sich dem Fatalismus von The Inside Room (2011) und Wider Than The Sky (2016).
Wenn der Brite nun, stimmlich vielleicht generell anmutiger denn je agierend, Zeilen wie „Who am I to feel so strong?“ im sich längst wie ein langjähriger Vertrauter anfühlendem Vorboten Closer to Life singt, hat er allerdings weniger seinen Frieden im eigenen Selbstvertrauen gefunden, als in der Zuversicht, sich stützen lassen zu können: „Only tonight, with you lay still beside me/ Do I recognise the truth in front of my eyes/ For all I leave behind/ For all the distance I’ve covered/ For all the wreckages I have climbed/ Reaching for love, never reaching enough/ For all of my gravity/ For all your becalming little weight/ Only tonight, I realise/ You’re closer to life than I am.“
Und spätestens wenn es im erhabenen Schlusspunkt The Undivided Truth dann „your love is still shining through me“ und „beauty begins and ends in me, my love“ heißt, ist klar, dass Little Weight ein Werk über die tragende Kraft der Liebe sein kann. Heilsam, einladend und beruhigend. In gewisser Weise hoffnungsvoller und sogar zugänglicher als seine drei Vorgänger. Zugegeben, auch weniger erschütternd und aufwühlend – man hat nicht den Eindruck, schon wieder einem Meisterstück gegenüberzustehen. Aber es ist in der einzigartigen Verbundenheit, die Walker-Werke als zeitloser, schier unerschöpflicher Fundus an schwermütigem Trost erzeugen, auch auf eine ganz eigene Art befriedigend.
Wie jedes seiner Werke ist auch Little Weight mehr als die Summe seiner Teile. Allerdings wächst der Verlauf diesmal im Gegensatz zu seinen Vorgängern dann doch weniger durch überragende Highlights im Verlauf: Das Niveau der Nummern ist relativ ausgeglichen, eine klar auseinanderdividierte Individualität ist im durch und durch homogenen, bisweilen etwas gleichförmigen Fluß jedoch erkennbar.
Mit dem sich schon fast devot nach Zuneigung sehnenden Pour Your Love hat Walker (der diesmal von Bassist Roland Scriver und Drummer Andrew Prestidge begleitet wird) dennoch einen heimlichen Instant-Klassiker seiner Karriere geschrieben. Wie die Gitarrenmelodie die Gesangslinie im Opener auffängt und Nicola Hutchison stimmliche Hintergrundharmonien texturiert, ist ebenso himmlisch wie typisch. Das streichelt die Seele wärmend und hebt gar ein Solo in den Himmel, dem es vor allem um Intimität, nicht Sentimentalitäten geht.
Auch das folgende Half a World Away wird einen musikalisch erlösenden Klimax ansteuern, nachdem es sich in der ausgewogenen Balance einer sanftmütigen Schwere bedächtig ausgewachsen hat, zwischen Abwarten und Aufbruchstimmung, und sich in den organischen, einladenden Raum der Produktion legt. Die schwelgend-traurige Leidenschaft von Astoria ist dagegen konventionelle strukturiert und könnte ein Bindeglied zwischen den Red House Painters und Jerry Cantrell sein, derweil Feathers die die emotionale Walze federleicht am nachdenklichen Lagerfeuer sinnieren lässt – erst als solider Standard, bis sich die atmosphärische zweite Hälfte der Nummer jedoch mit dem Fender Rhodes Piano von Chris Redman umso wohliger in einen fantastischen, ambienten Traum legt.
In Momenten wie diesen muß man sich zwar beinahe fragen, ob Little Weight (eventuell durch den kürzesten Entstehungsprozess zwischen zwei 40 Watt Sun-Alben bedingt?) nicht sein volles Potential entfaltet – aber nur so lange, bis die Erkenntnis einfach viel gravierender wiegt, dass Walker jenen Platz ganz nah am Herzen, den seine Musik seit jeher inne hat, mit diesen sicherlich lebenslang begleitenden 45 Minuten einmal mehr so charakterstark gefestigt hat.
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