Bohren & der Club Of Gore – Piano Nights
Klar waren da die ‚Mitleid Lady‚ und das via Mike Patton ausgesprochene ‚Beileid‚, trotzdem ist das letzte richtige Studioalbum ‚Dolores‚ auch schon wieder beinahe ein unendlich scheinendes, langes halbes Jahrzehnt Warten her. Aber stressen sollen sich Andere lassen, erteilt doch auch das richtungsweise betitelte ‚Piano Nights‚ die wohlbekannte Lektion: Zeit ist bei Bohren & der Club Of Gore ein äußerst dehnbarer Begriff.
Entschleunigung in einer immer hektischer werdenden Welt ist nun eben auch ein bisschen abseits ihrer Musik die Königsdisziplin der geschmackssicheren Mülheimer Doom/Horror/Funeral/Ambient/[…]-Jazzer, tatsächlich bewegen sich zahlreiche Songs sogar hin bis zur ultimativen Grenze aus betörender Langsamkeit und unerbittlichem Stillstand der ‚Geisterfaust‚. Dass es auf künstlerischer Hinsicht nicht zur Stagnation kommt, dafür sorgen Bohren auf „ihrem besten Album seit ‚Black Earth'“ mit dem titelgebenden Piano, dass sich subtil aber doch prominent immer wieder an der so behutsam schleichenden Melange aus Saxofon, Gitarre, Vibraphon, Synthesizer, Mellotron, Bass und Schlagzeug ins warm ausgeleuchtete Rampenlicht der stillen Melancholie vorbeischiebt.
Dabei haben Bohren & der Club of Gore trotz unendlich trauriger Reigen wie dem am Herzstillstand entlangtaumelndem ‚Bei rosarotem Licht‚ oder einem auf anschmiegsame abgründe gebetteten ‚Irrwege‚ ihr wahrscheinlich optimistischstes Werk bisher aufgenommen. Das unfassbar grandiose ‚Fahr zur Hölle‚ entfesselt etwa als wahrscheinlich größtmögliche Annäherung der Band an eine instrumentale Slowcoreballade mit dramatisch im Zeitlupentempo klimperndem Moll-Melodiebogen eine Gänsehautstimmung die sich uneuphorisch näher Richtung Morgendämmerung als Mitternachtsdepression aufhält, ‚Unrasiert‚ tänzelt zwischen Momenten der Schwermut mit geschlossenen Augen und Ahnungen eines Lächelns über verlassene Tanzflächen, während ausgerechnet ‚Segeln ohne Wind‚ seine Fensterläden mit einer gewissen Leichtigkeit einer wohlakzentuierten Hoffnung öffnet, mit beinahe feierlichem Gebläse hinten raus.
Knapp ein Drittel der Spielzeit von ‚Piano Nights‚ gönnen Bohren dem abschließenden Duo ‚Verloren (Alles)‚ sowie ‚Komm zurück zu mir‚: ersteres ein betörendes Bad in der Einsamkeit samt sich aufbäumendem Depressionshöhepunkt und versöhnlichem Todesappendix, zweiteres ein potentieller Rückblick auf die ‚Black Earth‚ und dank eingestreuter Badalamenti-Gitarren gar ein sanftes Gleiten und vages Bindeglied zum knapp zwanzig Jahre zurückliegenden ‚Gore Motel‚.
irgendwo nur folgerichtig, denn auf ‚Piano Nights‚ verschwinden Raum und Zeit wieder, das Kopfkino wird zur einzigen Realität. Weswegen es letztenlich auch egal ist, ob dies tatsächlich das beste Album seit dieser oder jener Veröffentlichung geworden ist, und wie lange die Band nun darauf warten ließ. Weil das Quartett ein klassisches Bohren & der Club of Gore Album mit vitalisierenden Neuerungen aufgenommen hat – und damit abermals einen zeitlosen Lebensbegleiter geschaffen hat, wenn auch nicht mehr ausnahmslos für die nicht mehr nur trostlosen Nächte des Lebens.
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