Ellende – Triebe

von am 13. Februar 2021 in EP

Ellende – Triebe

Was im Film-Business längst Usus ist (und musikalisch selbst bei Taylor Swift in Mode kommt), funktioniert gewissermaßen auch für österreichischen Post Black Metal: Ellende verpassen ihrer 2014er EP Weltennacht mit Triebe einen Reboot.

Sicher ziehen die drei Nummern auch einen gewissen Reiz daraus, den direkten Kontrast zwischen Weltennacht und Triebe zu erforschen, doch sind die Vorzüge der Überarbeitung praktisch evident, wenn die 30 Minuten des gleichermaßen zurück wie nach vor blickenden Kurzformates auch als idealer Einstiegspunkt in das Werk von Ellende jenseits des Recyclings zünden: Mastermind L.G. (Lukas Gosch zeichnet praktisch in Alleinregie verantwortlich für songwriting, lyrics, studio instruments, vocals, ambience, composition, artworks and design) hat mit Unterstützung von Studio/Live-Drummer P.F. (Paul Färber) das Ausgangsmaterial produktionstechnisch transparenter verfeinert und mehr Substanz verliehen; die Arrangements wachsen reifer, vielschichtiger und nuancierter balanciert. Die ursprüngliche Trackliste wurde zudem neu geordnet und geändert; bekanntes Material flüssiger gemischt und der Song Triebe gleich vollends durch seinen nummerierten Nachfolger ersetzt.

Dieser eröffnet den organischen Reigen noch melancholisch und harmonisch, installiert die getragene Anmut von Ellende über eine postrockige Landschaft, ballert dann aber sauber inszeniert mit erhebender Grandezza in den atmosphärischen Black Metal. Blastbeats tackern, die greinende Stimme geifert. Doch die Aggression hat keine hässliche Fratze: Vor allem die regelrecht romantischen Gitarren sehnen sich mit melodischer Wärme nach Schönheit, baden in sphärischen Passagen, sogar ein weicher Piano-Balsam und Streicher berühren die Texturen, erzeugen ein Cinemascope, in das man mit geschossenen Augen verträumt sehnend eintauchen kann.
10 Minuten Spielzeit scheinen zeitlos getragen – vielleicht per se wenig originell, originär oder unverkennbar, aber einfach so verdammt kompetent erschaffen und hingebungsvoll ausgelegt. (Dazu kommen akribische Details wie beispielsweise die rhythmischen Manirismen rund um die 7 Minuten-Marke, die immer wieder neue Facetten zu entdecken bieten). Gerade wie natürlich weite Strecken des Songs (stellvertretend für dieses Wesen der gesamten Platte) rein instrumental wachsen beeindruckt. Überhaupt sind es die vom das Momentum packend antreibenden Metal am weitesten entfernten Segmente, die Triebe (der EP) ihre formvollendesten Plateaus bauen, die Post-Präfixe einnehmend unterstreichend.

Weltennacht drosselt dort Härte und Tempo, die Gitarren erschaffen imaginative Räume, ambient arbeitend, subversiv gar in synthetische Meere abtauchend. Das hat eine sakrale, geradezu pastorale Höhe. Selbst wenn die Nummer hinten hinaus wieder energischer an Fahrt aufnimmt dominiert immer noch das fabelhafte Gitarrenwerk mit ziselierter Ergebenheit, eine latente Hymnik.
Zwischen Sommer Und Herbst eröffnet am Lagerfeuer, im Akustik-Gewand perlend und nahe des Dark Folk sinnierend. Orchestrale Streicher von wohliger Tiefenwirkung greifen in den Nuancen, wirken jedoch nicht wie ein kleisternder Gimmick um der Fülle wegen, erzeugen keinen Kirsch oder überambitionierte Klischees, sondern bereichern das Spektrum kohärent. Ellende folgen einem unaufgeregten Pfad des Genres, nicht wild und manisch, sondern bedächtig und malerisch. Zwar zeigt sich spätestens hier, dass nicht alle Wendungen und Passagen im Songwriting ihre Nahtstellen ohne Brüche hinbekommen und das Ende der Nummer exemplarisch zu abrupt passiert – doch fühlen sich die drei anachronistischen Songs von Triebe dabei doch auch wie der Einstieg in die nächste Evolutionsstufe des Projektes Ellende an.

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