The Gaslight Anthem – Get Hurt

von am 10. August 2014 in Album

The Gaslight Anthem – Get Hurt

Brian Fallon und seinen Jungs scheint klar zu sein dass ihnen die großen Melodien ausgehen. Auf ihrem fünften Studioalbum versuchen die New Jersey-Punkrocker diesen Missstand zwischen leidlich inspirierten Selbstplagiaten und ausgewaschenen Standards wenig konsequent mit einer schaumgebremsten Aufbruchstimmung zu kaschieren.

Gleich in das eröffnende Patchwork ‚Stay Vicious‚ packen The Gaslight Anthem ein drückendes Hardrock/Wolfmother-Riff – aber rundern unmittelbar zu einem weichgespühlten „Lalalala„-Chorus zurück; ‚1,000 Years‚ baut seine Wohlfühlzone inmitten der Koordinaten von milchgesichtigen 80er-Heavyrock-Gedankenspielen – die aber letztendlich doch nur auf einen glattgallopierenden Singalong sowie eine hymnisch gemeinte U2-Auflösung abzielen. Der balladesk-mediative Beginn von ‚Selected Poems‚ wird nicht weiter verfolgt. Die flotte erste Single ‚Rollin‘ and Tumblin‘‚ ist dagegen von Beginn weg Schema-F wie nur was, hat aber zumindest Platz für die Ahnung einer surfenden Orgel und ‚Break Your Heart‚ ist als bandeigene Adaption von ‚I Won’t Back Down‚ der deutlichste Tom Petty-Kniefall der Band bisher: eine zurückgenommene Akustiknummer ohne aber die anvisierte Tiefe zu erreichen. Der Titelsong schmiegt sich bereits davor als nachdenklich marschierender Stampfer fürsorglich an die  streichelweiche Mike Crossey-Produktion (u.a. Arctic Monkeys, Jake Bugg), die ‚Get Hurt‚ im Gesamten eine allzu selbstzufriedene Ausstrahlung verleiht, der Band viel Schmiss und Feuer raubt.

Dennoch sind dies die hervorblickenden Momente, die Brian Fallon im Kopf gehabt haben muss, als er das fünfte Album seiner Band im Vorfeld als „radikal anders“ und „das ‚No Code‚ der Band“ ankündigte. Auf dem Nachfolger des Stadion-Chartbreakers ‚Handwritten‚ werden derartig vollmundige Versprechen nun allerdings nicht nur nicht so heiß gegessen wie sie in Aussicht werden. ‚Get Hurt‚ ist durch und durch eine lupenrein erkennbare The Gaslight Anthem-Konstruktion, 7 Jahre nach dem Debüt weiß man: die Band besteht aus Traditionalisten, löst ihre Bringschuld stets gewissenhaft bei den wachsenden Fanscharen ein. Veränderungen passieren schleichend, nicht eruptiv. Jedwede dieser mutmaßlich ausgestreuten Brotkrummen der Innovation erweisen sich diesmal aber nach und nach bloß als fadenscheiniger Neuanstrich altbekannter Songwriting-Raster. Kaum ein Song von ‚Get Hurt‚ schafft es ohne enervierende Déjà vus auszukommen – alleine wieviele dieser Refrains man schon von den Vorgängeralben auswendig zu kennen meint ist bedenklich.
Es scheint, als wüsste die Band selbst nur zu gut, dass es längst Zeit wäre zu neuen Ufern aufzubrechen – von bewährten Gewohnheiten kann oder will man derweil aber noch nicht lassen. In den schwächsten Szenen ist ‚Get Hurt‚ so eine Platte geworden, die sich an B-Seiten tauglichen Material labt oder geradezu feige vor den eigenen Ambitionen in Sicherheit wiegt. Das führt dazu, dass man sich trotz der dezent eingeflochtenen Pseudo-Neuerungen im Sound in den 12 Songs abseits der verpuffenden Aha-Momente anstandslos zurechtfindet, sich inmitten der Stimmung unmittelbar zuhause fühlt, aber von der sich ausbreitenden Egalität ohne klare Bekenntnisse in der Luft hängen gelassen wird.

Vor einem leergefischten Ideenpool der recycelten Melodien gelingen The Gaslight Anthem erstmals keine astreinen Hits, aber doch einige routinierte Standards (‚Helter Skeleton‚ versucht die Dinge mit seinem potentiellen Alkaline Trio-Titel etwas direkter anzupacken und fußt wie das The Cure-verliebte ‚Stray Paper‚ oder das mit einem schön-schimmernden Ballroom-Finale ausgestattete ‚Ain’t That a Shame‚ auf einem erhabenen Gospel-Teppich) im allgemeinen Zwiespalt: Brian Fallon singt immer noch über Girls die er Baby nennt, ritzt sich Namen in die von ‚American Slang‚ tätowierten Unterarme, und beteuert gleichermaßen „xxxx“, während der 50s und 60s-Vibe immer weiter in den Hintergrund tritt. Quo Vadis, The Gaslight Anthem?
In den Seilen hängend finden sich 2014 die stärksten Szenen der Band bezeichnenderweise einerseits in jenem Augenblick, da sich The Gaslight Anthem am deutlichsten aus dem Fenster lehnen (‚Underneath the Ground‚ ist ein kontemplativ fließender Titel, durch dessen Refrain wavige Keyboardflächen und Autotune[?!]minimalismen getupft wurden) und andererseits ausgerechnet abseits des eigentlichen Albums – bei den Bonustracks: dort frönt das Quartett dem Folk (‚Mama’s Boys‚), dem Blues (‚Sweet Morphine‚) oder klingt beim Schreiben typischer Ohrwürmer (‚Have Mercy‚) allgemein unbeschwerter und gelöster. Es geht also durchaus. Bevor sich The Gaslight Anthem selbst verheizen wäre es alledings eventuell sinnvoll den marktwirtschaftlich dankbaren 2 Jahres-Veröffentlichungs-Rhythmus zu überdenken und sich von der Muse vollends über die Kante der eigenen Komfortzone stoßen zu lassen.

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