Girl in Red – I’m Doing It Again Baby!
Marie Ulven Ringheim ist der Bedroom-Intimität endgültig entwachsen und schickt ihren Pop mit dem zweiten Girl in Red-Album I’m Doing It Again Baby! auf die großen Bühnen dieser Welt. Dass er dort relativ glanzlos untergehen könnte, stört sie nicht.
Vielleicht ist aber auch alles nur eine Frage der Wahrnehmung, hat die 25 jährige Norwegerin vorab doch vollmundig prognostiziert: „I’m finishing the best album ever made!“
Tatsächlich ist I’m Doing It Again Baby! ein eher durchschnittliches Zweitwerk geworden, aus dem kaum eine Idee, Melodie oder Hook abseits der angenehm den Hintergrund berieselnden Eingängigkeit wirklich heraussticht.
Was man dem elaborierten Dance Pop dabei jedoch grundlegend zu Gute halten muß, ist einerseits, wie sehr Girl in Red in der neuen, exaltierteren und selbstsichereren Ausrichtung aufgeht. Und andererseits, dass es diesmal auch nur einen wirklich unangenehmen Ausfall auszuhalten gibt – ausgerechnet den prolongierten „song of the summer“, bei dem Ringheim laut Eigenaussage Spaß hatte wie noch nie, und nun mit einem Elektro-Clusterfuck Stimmung machen will, der von kitschigen Streichern über eine wahllose Banjo-Party bis hin zu absurden Cut-And-Paste-Rockgitarren alles in einen überdrehten Titelsong-Topf wirft. Und über den Cringe-Einstieg von Sabrina Carpenter in You need me now? hüllt man dann auch besser den Mantel des Schweigens.
Das restliche Material überzeugt in der die angestammte Fanbase durchaus verprellen könnenden Ausrichtung jedoch mal mehr, mal weniger. Die Kompositionen sind bissfertig für kurze Aufmerksamkeitsspannen konzipiert. Das angestrebte Entertainment bleibt überschaubar, bedingt aber ohne Überraschungen, Risiken oder wirklichen emotionalen Impact eine grundlegende Banalität: es ist schon interessant, wie sehr Girl in Red den Stärken ihrer beiden Debüt-EPs zu entkommen versucht.
I’m back ist als stimmungsvoller Opener und bittersüße Niedlichkeit am Ende einer depressiven Phase der einzige Song der Platte, der einen (atmosphärischen) Tiefgang erzeugt und die generische Produktion mit einer gewissen Substanz befüllt, während Girl in Red danach den Individualismus zugunsten des konsenstauglichen Eklektizimus zurücklässt, um ansonsten endgültig den großen Namen des Business zu folgen.
Too Much gefällt sich so als eine schmissige, angenehm zu hörende Trivialität im Schatten von Billy Eilish, Phantom Pain zögert durchaus interessant mit Handclaps und Distortion den Club wie die Arena hinaus. A Night to Remember springt gelungen auf den EDM-Zug auf und Pick Me möchte eine Klavier-Ballade fürs Stadion im Feuerzeugschein sein, bleibt wie die locker-flockig groovende Tanzbarkeit von Ugly Side ohne gravierenden Geistesblitz. Der in Watte gepackte flotte Drive von New Love gefällt in seiner Aufbruchstimmung, frustriert allerdings ohne Konsequenz und lässt symptomatisch reizvoll viel Potential brach liegen.
Dass der unfertige Closer ★★★★★ justament dort, wo er sein zielloses Geplänkel in der Elektronik endlich beendet zu haben scheint, einfach gleich komplett den Stecker zieht, passt zum Gesamtbild: I’m Doing It Again Baby! ist die konsequente Fortführung von If I Could Make It Go Quiet und auch in machen Aspekten kompletter als das Vorgängerwerk – aus dieser Perspektive also zumindest das beste Album, das Ringheim bisher aufgenommen hat. Girl in Red macht sich auf kompakte (Major-)Langspiel-länge damit aber noch mehr zu einer Künstlerin, die sich die richtigen Mainstream-Stars gefahrlos ins unaufregende Vorprogramm holen können.
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