Interview: Russ Rankin (Only Crime)

von am 28. August 2014 in Featured, Interview

Interview: Russ Rankin (Only Crime)

Sieben Jahre liegen zwischen ‚Virulence‚ und ‚Persuance‚, mit dem sich die designierte Supergroup um Russ Rankin 2014 eindrucksvoll auf der Bildfläche zurück meldete. Warum es überhaupt zu der langen Pause kam, den Bandmitgliedern auch ohne Only Crime nicht langweilig wurde und weswegen seine Stammband Good Riddance seit 2012 wieder existiert erzählt Rankin im Heavypop-Interview.

Heavypop: Wie läuft die Tour denn bisher so?
Russ: Großartig. Wir waren jetzt seit fünf Jahren nicht mehr in Europa, sind also ziemlich aufgeregt wieder die Chance zu haben hier spielen zu können.

Gestern habt ihr in der Tschechischen Republik gespielt – am Tag des Finales der Fußballweltmeisterschaft. Habt ihr das Spiel verfolgt?
Ja, es wäre aber auch schwer das nicht zu tun. Wir haben auf diesem Festival gespielt und da gab es einen riesigen Bereich in dem die Leute dagesessen und sich das Spiel angesehen haben, regelrecht ausgeflippt sind. Ich weiß dass Fußball hier deutlich populärer ist – bei uns zuhause ist das Interesse am Turnier ziemlich zurückgegangen, nachdem die Vereinigten Staaten erst einmal ausgeschieden waren. Die Menschen hatten immer noch Freude daran, aber ich denke doch, dass Europa diesbezüglich ganz anders ist.

Sieben Jahre sind seit ‚Virulence‘ vergangen. So lange habt ihr noch nie für eine Platte gebraucht. Erzählt doch mal warum das so war und was sich bei euch in der Zwischenzeit zu ereignet hat!
Vor allem hat das an zwei Dingen gelegen: erstens liegt es in der Natur unserer Band, dass wir alle auch mit anderen Projekten und Karrieren beschäftigt sind. Wir leben alle an unterschiedlichen Orten, weswegen es auch schwierig ist überhaupt einmal zusammenzufinden um zu proben und zu schreiben – das ist ein regelrechter Hindernislauf, den wir immer wieder zu bewältigen haben.
Zweitens sind nach ‚Virulence‘ zwei Mitglieder aus der Band ausgestiegen die wir erst einmal ersetzen mussten. Und als das geschehen war und wir versuchten neue Songs zu schreiben wurde unser Drummer Bill schwer krank. Wir haben also durchaus über mehrere Jahre versucht uns immer wieder mal zu treffen um an neuem Material zu arbeiten, dann dauerte es bis zur nächsten Session aber mal sechs Monate, mal ein Jahr – eben wegen der unterschiedlichen Terminplänen und Bills Gesundheitszustand. Es hat deswegen ziemlich lange gedauert das Material für ‚Pursuance‘ zusammenzutragen hatten: angefangen haben wir mit den Arbeiten am Album 2008 und sind erst letztes Jahr damit fertig geworden.
Der Hauptgrund war aber dann doch der, dass Mitglieder nach ‚Virulence‘ ausgestiegen sind. Nicht aufgrund irgendwelcher Streitigkeiten, sondern einfach um weiterzuziehen, andere Dinge zu tun und neue Möglichkeiten zu ergreifen – so was eben. Wir sind alle immer noch gut mit den ausgestiegenen Jungs befreundet…aber dran lag die lange Abwesenheit vor allem. Das hat sich nicht nur auf die Band ausgewirkt, sondern eben auch auf Bills Gesundheit – was viel gravierender ist als alles was die Band betrifft. Wir waren natürlich um ihn besorgt, sind aber glücklich dass er nun wieder zu 110% fit ist.

Werdet ihr euch nun wieder stärker auf Only Crime konzentrieren? Darf man also eventuell mit kürzeren Zeiträumen zwischen euren Alben rechnen?
Das hoffe ich. Wie gesagt, es ist schwer für uns all unsere Terminplaner in Einklang zu bringen, aber im Moment fühlt es sich großartig an die Platte herausgebracht zu haben. Die Leute von Rise Records waren diesbezüglich auch ganz fantastisch, weswegen man auch ein wenig das Gefühl hat ihnen etwas zu schulden, weswegen wir unser Bestes geben wollen, rausgehen werden und so viele Shows spielen wie möglich. Um die Leute zu erinnern dass es diese Band gibt. Weißt du, das läuft so: du spielst und spielst dir immer den Arsch ab, dann vergehen fünf Jahre und die Leute fragen sich: „Oh! Wer sind die Typen nochmal?“ Wir werden in diesem Jahr also erstmal so viele Konzerte spielen wie möglich und dann versuchen so schnell als möglich an neuem Material zu arbeiten.

Russ, du hast 2012 ein Soloalbum aufgenommen. Wirst du deine Solokarriere weiterverfolgen?
Ich treibe die Sache stets voran. Ich spiele so oft ich kann. Ich habe gestern in der Nacht noch auf einem Festival gespielt, was wirklich spassig war. Und ja, ich würde auch gerne wieder hier auftreten. Letztes Jahr war ich mit Joey Cape und seiner Band unterwegs und bin ein wenig durch Europa getourt. Ich liebe es sowas zu tun. Auch, weil es einfach etwas komplett anderes ist und die Dinge für mich interessant hält. Und es hilft mir generell, andere Perspektiven auf den Songwritingprozess zu finden, was glaube ich keine schlechte Sache ist. Also ja – die Sache werde ich weiterverfolgen.

Du warst 36 als du Only Crime gegründet hast. Würdest du sagen dass es Dinge gab die du auf dem Weg dahin gelernt hast, die dir letztendlich in die Karten gespielt haben eine Band erst in diesem Alter zu gründen? Gab es Fehler die du so vermeiden konntest?
So viele. Das erste was wir bei Only Crime taten – bevor wir auch nur einen Ton spielten! – war, dass wir alle uns zusammensetzten und über die Erfahrungen gesprochen haben, die wir bei andren Bands gesammelt hatten, vor allem über die, die wir nicht wiederholen wollten. Und darüber wie wir sie bei Only Crime vermeiden könnten. Wir konnten uns also glücklich schätzen ein zweites Standbein aufzuziehen, aber mit dem Wissen und den Erfahrungen die wir über die Jahre gesammelt hatten. Vor allem Bill. Wir konnten all den Mist vergangener Tage nutzen und viele der üblichen Stolpersteine und Fehler vermeiden. Das Resultat war, dass, auch wenn wir nicht die größte Band des Planeten wurden, wir zu einer eingeschworenen Einheit verschmolzen sind, wir uns stets umeinander kümmerten. Es gibt in unserem Gefüge keine großen Unstimmigkeiten, Streitereien oder Kämpfe, an denen ich andere Bands schon zugrunde gehen hab sehen. Also ja: wir können uns durchaus glücklich über die Umstände schätzen.

Was hat dich dazu gebracht Good Riddance wieder zusammenzubringen und wieder Shows zu spielen?
Wir haben 2007 aufgehört zusammen zu spielen, weil wir alle mit unseren Karrieren und Kindern und so vollbeschäftigt waren und uns die Musikindustrie im großen und ganzen recht deutlich gezeigt hat: „keiner mag euch mehr“.
Die Verkaufszahlen gingen zurück, zu unseren Shows kam kaum jemand mehr. Es war also ziemlich naheliegend zu sagen: „Ok, wir sehen es ein. Lasst uns einen Schlussstrich ziehen.“ Wir haben also einen Schlussstrich gezogen, hatten alle anderweitig genug zu tun und dann kamen in den vergangenen 5 Jahren immer wieder unzählige Angebote: „Hey, wir geben euch einen Batzen Kohle wenn ihr zurückkommt und auf diesem oder jenem Festival spielt“ – wollten wir aber nicht.
Die anderen in der Band sind mir dann doch in den Ohren gelegen: „Wir sollten es tun! Wir sollten es tun!“, ich hatte aber eigentlich keine Lust, also schlug ich vor: „Lasst uns mal ein bisschen proben und sehen wie sich das anfühlt.“ Und das hat wirklich Spass gemacht, also hieß es: „Lasst uns eine Show spielen und dann sehen wohin das führt.
Das taten wir, und auch das war großartig…und so ging das dahin. Und nun haben wir derart oft miteinander gespielt dass wir an dem Punkt sind, an dem das Verlangen da ist auch mit neuer Musik zurückzukehren. Damit hätte ich nicht gerechnet, aber so ist es nun mal gekommen. Und wir sind nun in der Lage das Gefühl miteinander zu spielen zu genießen, ohne uns wie früher mit Erwartungshaltungen oder sonstigem Druck zu befassen. Zumindest geht es mir so. Die Band ist für mich nun effizienter, sie erscheint nun in der richtigen Perspektive: du realisiert, dass du dich glücklich schätzen kannst die Möglichkeit zu haben zu reisen und Menschen zu treffen, sogar deren Leben zu berühren. Das lässt einen demütig werden. Es ist ziemlich aufregend dass wir das alles immer noch genießen dürfen, und es wird aufregend sein neue Musik rauszubringen.

Du arbeitest wie du erwähnt hast auch an vielen anderen Projekten. Was sind die Aspekte die du nur bei Only Crime unterbringen kannst und bei keinem anderen?
Yeah, bei Good Riddance schreibe ich viele der Songs, und von meinen Solosachen schreibe ich offenkundig alles selbst. Bei Only Crime, vor allem zur Zeit, kümmern sich Aaron und Don und Bill und Zach um die Musik. Und danach bin ich zuständig für die Gesangsmelodien und Texte. Und die Musik die die Jungs schreiben ist eben deutlich verschachtelter und komplizierter als alles was ich schreibe. Es ist also auch eine Herausforderung für mich. Ich muss melodiöse Vocals für dissonante Akkorde schreiben. Und versuchen Texte und Rhythmen zu verfassen, die zu Songs im 6/8, 7/9-Schema oder sonstige verrückte Signaturen passen. Das zwingt mich meine Komfortzone zu verlassen, Dinge zu tun, die mir eigentlich unbequem sind – was, glaube ich, egal in welcher Form, durchaus guttun kann. Mit Only Crime Musik zu machen ist für mich also etwas komplett anderes, eine Herausforderung. Aber eine durchaus willkommene – denn ich habe dabei stets das Gefühl etwas von den Jungs zu lernen.

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