Japandroids [07.09.2012 Postgarage, Graz]

von am 8. September 2012 in Featured, Reviews

Japandroids [07.09.2012 Postgarage, Graz]

Eine zwiespältige Sache: Japandroids live zu sehen ist, ist wie der absoluten Machtdemonstration von purem, energiegeladenen Rock beiwohnen zu können. Es ist aber auch ein möglicher Grund, die Alben der beiden Kanadier nie mehr mit dem selben Enthusiasmus hören zu können wie davor.

Natürlich kein guter, aber generell gilt: Japandroids auf Tonträger und Japandroids auf der Bühne sind zwar die gleiche Sportart, aber nicht unbedingt in der selben Liga. Denn was der den Omar Rodriuges-Lopez-Ausfallschritt beherrschende Gitarrist Brian King und Schlagzeugvieh David Prowse da im Second Floor der Postgarage vom Stapel lassen, übersteuert die auf ihren Alben ohnedies schon übergehende Energie ganz einfach noch einmal fulminant um ein paar Klassen und erzeugt einen Druck, wie das andere Bands auch in herkömmlicher, klassischer Besetzung nicht zustande bringen. Noch energischer, noch dringlicher, noch leidenschaftlicher, sogar ein bisschen schneller und auch härter, hier und da kleine, schnörkellose Phrasierungen aus dem Lehrbuch für Liveausschmückungen, die auf den Platten keinen Platz finden. So schrammelt man die Spannung schon mit dem kleinen Exkurs vor dem mit ‚The Boys Are Leaving Town‚ standesgemäß begonnenen Programm hoch und hält sie in den folgenden knappen eineinhalb Stunden nicht nur mühelos, sondern steigert sich mit dem jedem Song.

Eine Eigenschaft, die man mit dem als Anheizer optimal platzierten, ebenfalls auf Schlagzeug und Gitarre reduzieren Tiny Terrorists teilt. Das österreichisch-argentinische Duo spielt vor der zu diesem Zeitpunkt noch spärlicher vorhandenen Zuhörerschaft – die bei Japandroids einsetzenden Stagedivingversuche und Pogotänze sind noch kein Thema – minimalistische Rockskizzen mit subtilen Titeln wie ‚Sex Time‚ oder ‚Holiday in Fukushima‚, die klingen, als hätten die beiden verdammt viel Death From Above 1979 gehört, würden aber mit weniger in die Vollen gehenden Songs irgendwie bei U2 und Razorlight landen. Was allein deswegen schon nicht passieren kann, weil sich die Melodien und wirklich packenden Riffs etwas zu gut unter dem aufgefahrenen Noise, dem nach ‚St. Anger‚ gestimmten Schlagzeug und einer gewissen Rotzigkeit verbirgt. Dass Tiny Terrorists in dieser Ausrichtung unwillkürlich dem Vergleich mit dem Hauptact standhalten müssen und dabei dennoch nicht untergehen, sagt dann vielleicht ohnedies schon genug über die vorhandene Qualität der Band aus. Dass vom kleinen Kreis nach der abgespulter Setlist ein weiterer Song verlangt und von der gesamten Zuhörerschaft aufrichtig beklatscht wird eigentlich auch.

So passend der lokale Support, so durchwachsen der internationale: Be Forest begleiten Japandroids mit ihrer Mischung aus Shoegaze, Dreampop und Ethereal Wave, was an sich einen angenehmen Konterpart zu all dem verschwitzten Rock bieten würde. Einzig: fesselnd ist das zu keinem Zeitpunkt, meistens sogar geradezu uninspiriert in reinen Versatzstücken der Genres dümpelt. Zu hören gibt es einfühlsam gemeinte, aber bloß monoton gesäußelte Vocals, viel Reverb auf der Gitarre und melancholische Basslinien über dramatisch im Soundmatsch treibenden Songs, gestemmt von simplen Rhythem der zwischen Moe Tucker und Caroline McKay stehenden Schlagzeugerin Nicola Lampredi. Mag das auf Konserve eventuell noch einen eingeschränkten Reiz haben, live verwischen die Nummern ideenlos und ohne Widerhaken dahinplätschernd. Dass sich im Soundbild auch nichts ändert wenn die Instrumente gewechselt werden spricht für sich, wo ein gesäuselter Groovesong anfängt und der nächste anfängt, will man gar nicht so genau wissen, schätzt dafür selbst B-Liga vertreter des Genres wie Echo Lake plötzlich um so mehr.

Ebenso das starke Verlangen der Japandroids, sich immer wieder Fremdkompositionen einzuverleiben. Funktionieren diese auf ihren Tonträgern oft nur bedingt, entfalten sie live dafür eine umso extremere Sprengkraft. Der Enthusiasmus der beiden Rockderwische aus Vancouver ist zwar ab der ersten Sekunde auf das frenetisch feiernde, interaktionswütige Publikum übergesprungen, dennoch meint man einen zusätzlichen Endorphinschub durch die angenehm dicht gestaffelte Menge gehen zu spüren, als die beiden in ihre erschöpfende Tour durch ‚Post-Nothing‚ (nur ‚I Quit Girls‘ wird ausgelassen) und ‚Celebration Rock‚ (wird komplett durchgewürfellt) noch den McLusky-Klassiker ‚To Hell With Good Intentions‚ (von ‚All Lies‚ bzw. ‚No Singles‚) quetschen. Vollends kein halten mehr gibt es bei Gun Club’s ‚For The Love Of Ivy‚: auf Platte noch ein nicht störender, minimaler Schwachpunkt, bringt der gallopierende Rocker den Pit vollends in Gang und entlässt aus einer schweißtreibend dichten Rockparade, die sich schon jetzt als Konzert des Jahres anmelden darf. „No God. Just Japandroids“ hat danach mehr von einer Wahrheit, als nur ein griffiger Slogan zu sein.

Weniger triumphales darf man der Postgarage als Veranstaltungsort bescheinigen. Das ein Konzert pünktlich beginnt, ist an sich schon eine feine Sache. Dass dies aber geschieht, um unmittelbar mit Konzertende schon eine weitere Veranstaltung abhalten zu können, ist das vielleicht eine finanziell nachvollziehbare Entscheidung, aber in seiner den Auftritt beschneidenden Wirkung auch wie eine Bankrotterklärung für den erklärten Kulturstandpunkt. Zumal das bereits anwesende, von Japandroids die Partystimmung eingeimpfte Publikum die dem Konzert vollkommen zuwider laufende, stumpfe Dance-Soundkulisse ihr übriges tut, um die Besucher mit dröhnenden Ohren (Earplugs sind nirgendwo zu bekommen) in die Arme anderweitiger Lokale hinaus in die kühle Wochenendnacht zu treiben.
Graz eben. Aber auch um die Erinnernung an ein ausdrückliches Konzerthighlight reicher. Und um eine wichtige Erkenntnis: Mit den Bildern des Abends im Hinterkopf funktionieren sie letztendlich tatsächlich sogar noch eine Spur intensiver als bisher, die Japandroids auf Tonträger.

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