LL Cool J – The Force

Call it a comeback! Für The Force, sein erstes Album seit elf Jahren, lässt sich LL Cool J von A Tribe Called Quest-Kopf Q-Tip ein waschechtes Karriere-Highlight auf den durchtrainierten Leib schneidern.
Was man für 2024 auch auf der Rechnung gehabt haben mag – der Umstand, von LL Cool J derart überrascht zu werden, dass man ihm in wenigen Monaten wohl attestieren wird können, mit The Frequencies of Real Creative Energy ein waschechtes Jahres-Highlight im Hip Hop-Game abgeliefert zu haben, musste bei aller Liebe eher nicht dazugehören.
Gerade auch, weil The Force ursprünglich als The Goat 2 bereits seit 2014 in der Entwicklungshölle hing und unter anderem einen angekündigten musikalischen Ruhestand des mittlerweile hauptberuflich als Schauspieler beschäftigtem James Todd Smith untertauchen musste.
Nur um jetzt wie die natürlichste Sache der Welt einen am vergangenen Jahrzehnt gewachsenen Rapper zu zeigen, der sich zwar immer noch körperbewusst für das Zwischenmenschliche interessiert („Damn, baby, I don’t know if you dance or not/ I’d love to see you on the pole/ I don’t know if you conservative, or if you’re a freak/ But I’d love to see you lose control/ Make the O-face for me, bounce your ass on me/ …/ I pull out my stick and invite you to play some tonsil hockey/ I put the box in the penalty“ rappt LL Cool James so etwa im zurückgelehnten Sex-Drive des von retrofuturistischen Gary Numan-Synth-Schwaden und Saweetie begleiteten Proclivities) sonst aber das Politische stärker denn je für sich entdeckt hat: Eine Pandemie und anhaltende Diskriminierung in den USA prägen The Force inhaltlich.
Der 56 jährige rappt dabei mit einem unangestrengt anachronistischen Flow, klingt jung, inspiriert und vital, bewegt sich lässig und auch archaisch durch die Soundwelt der Platte , die von Q-Tip mit individueller Handschrift maßgeschneidert wurde.
Ohne Zugeständnisse an moderne Trends oder aufgewärmte Nostalgie bewegt sich The Force zwischen East Coast und Hardcore Hip Hop mit souligen und jazzigen Tendenzen, ist ausgefeilt und nuancenreich, warm und charismatisch. Wenn etwa das Titelstück smooth nach vorne groovt und sich immer neue Facetten einverleibt, um dann Michael Jackson subversiv zu zitieren, Passion Herbie Hancock fluffig umwandelt, Post Modern die Zügel enger zieht oder Basquiat Energy eine Art munteren Cyberfunk assimiliert, läuft der nominelle Backdrop genau genommen manchmal auch dem Protagonisten am Mikrofon den Rang in Sachen Virtuosität ab – gerade dadurch, dass LL Cool J keine aufdringliche Geltungssucht in seinen Oldschool-Bars transportiert, geht das in Summe jedoch eine Symbiose ein, die niemandem etwas beweisen zu müssen weiß.
Was sich auch dadurch ausdrückt, dass The Force nicht mit prominenten Gästen geizt und das Rampenlicht ohne Reibung teilt. Im mit Gitarrenlicks entspannten Spirit of Cyrus verschenken Q-Tip und LL Snoop Dogg zwar für ein paar Zeilen in der Hook, dafür werden Fat Joe und Rick Ross in Saturday Night Special umso nachdrücklicher einem im Halbschlaf wandelnden Beinahe-Thundercat-Feeling ausgesetzt und Nas tänzelt in Praise Him solide lobpreisend. Das eindrucksvoll integrierte Black Code Suite macht in seiner tänzelnden Leichtigkeit für Sona Jobarteh den tropikalen Beat-Switch in den Eskapismus – die gambische Multi-Instrumentalistin holt sich übrigens, wie sonst nur der wunderbar mit dem Stoizismus von LL harmonierende Hektiker Eminem im hibbeligen, einfach unverkopft Bock machenden und ebenso kurzerhand abbiegenden Gespenster-Speedrun Murdergram Deux, verdiente Co-Songwriter-Credits ab.
Um noch einmal auf die Produktion zurückzukommen: Wie individualisiert diese ist, lässt sich vielleicht am direktesten in Huey in the Chair nachvollziehen: wie Dis Generation bedient sich der Track bei Halleluwah von Can und hat dann auch noch Busta Rhymes an Bord – und klingt als psychedelisches Afrorock-Experiment doch komplett anders.
Was man nach dieser bestechenden Koop-Rückkehr jedoch mit der Einschätzung anfangen soll, dass der vielleicht beste Track trotzdem im trocken abschließenden, exklusiv nicht von Q-Tip produzierten (sondern von J-S.A.N.D. und Kizzo betreuten) Oldschool-meets-Newcomer-Espirit The Vow steckt, muß jeder für sich beantworten?
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