Maruja – Pain to Power

von am 25. September 2025 in Album, Heavy Rotation

Maruja – Pain to Power

Pain to Power, das lange hinausgezögerte Debütalbum von Maruja, ist nicht das erhoffte Meisterwerk geworden. Aber als verlängerter Arm der vorausgeschickten EPs sind die aufgefahrenen 51 Minuten definitiv alles und sogar noch mehr, als Knocknarea (2023), Connla‘s Well (2024) und das erst wenige Monate alte Tir na nÓg versprochen haben.

Was, um es gleich vorwegzunehmen, im Umkehrschluss auch zwangsläufig bedeutet, dass einige der dortigen Kritikpunkte hier ins Gewicht fallen müssen.
Beispielsweise neigt Joe Carroll mehr als bisher dazu, mit seinem Saxofon entweder zu schwelgen oder gefühlt die immer gleichen Arpegios schwadronieren zu lassen, während das Beat-Repertoire von Schlagzeuger Jacob Hayes weiterhin überschaubar bleibt und die Vocals von Harry Wilkinson fast Hip-Hop-affin mit einer gewissen Prätentiösität in den Vordergrund gemischt sind, derweil sein Gitarrenspiel gerade hinter dem massiv grummelnden Bass von Matt Buonaccorsi ein wenig verschenkt wird. Und klar: Nicht selten dominieren Ästhetik, Stimmung und Attitüde die Form des Songswritings.
Black Country, New Road den Rang als heißest hochgejazztes Eisen der Windmill Scene abringend, wiegt Pain to Power diese Schönheitsfehler aber nicht nur mit einem Schaulauf der Dinge auf, die man in den vergangenen Jahren an Maruja lieben gelernt hat, sondern bringt dem avantgardistischen Amalgam aus Post-Punk-Noise-Rock im Windschatten von Vanisher, Horizon Scraper auch neue Facetten bei, die zum Besten gehören, was das Quartett aus Greater Manchester jenseits von The Vault bisher (respektive in rund zwei Monaten Anfang des Jahres mit Produzent Samuel W Jones) aufgenommen hat.

Allen voran strahlt das herausragende  Saoirse als traumhaft schöne Elegie von einer Sehnsucht: „Doubt is a traitor, I can tell/ Fear is my enemy I fell/ …/ Wipe my ego/ Let my love grow/ Keep me humble/ No assumptions/ Watch me let go/ Never hold on/ In death I let go/ So I start now“ meditiert Wilkinson mit einer weichen, poetischen Gesangsstimme absolut bezaubernd, um – der simplen, direkten und auch immer wieder selbstgerechten Linie der Lyrics folgend – zu einem erhebenden Mantra zu finden: „It’s our differences that make us beautiful“.
Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass der Hype um Maruja bald wieder verfliegen sollte, wird diese Nummer auf zeitlose, elegante Weise bleiben. Allerdings bettet Pain to Power Saoirse in ein rundes, wunderbar homogen sequenziertes Ganzes, das seiner Sternstunde gegenüber absolut würdig auftritt, gerade auch, indem es den Fokus weg von der massentaugliche Ballade hin zu vertrauteren Gefilden des Maruja-Spektrums lenkt. Und dort zwischen Momenten der Routine auch manchmal über sich selbst hinauswächst.

Bloodsport wirbelt in nervösen Schüben mit einem massiven Tieftöner als Planierraupe, schreit und wütet in den Amplituden aus abrassiver Angepisstheit und verführerischer Ruhe, wo die Klimax in kakophonisch wütende Anmut Haltung annimmt. Look Us Down beginnt heavier walzend und entwickelt sich zu einem zehnminütigem Monstrum aus jazziger Größe und Spoken Word-Hysterie samt grandios arrangierter Streicher-Arrangements und einer superb texturierten Klanglandschaft der Extraklasse: Wahnsinn!
Die stille Elegie Born to Die leidet dagegen voller Grandezza selbstkasteiend in sich hineinhorchend, sinister und somnambul, bevor anmutige Schikanen ein eruptives Finale der Rage Against the Machine-Schule provozieren, die Ketten des selbstreflexiven Intros sprengend: „This culture wanna limit us/ And capitalise our output/ Limit our potential/ I know what this life is worth/ We are universal spirits/ And our kingdom is this earth/ All those years of holding back/ It’s only you you do not serve/ Mindful of our differences/ Respect wants holding down/ Most already know this/ But they’re afraid to make a sound.

Maruja stellen sich ihrem eklektischen, eigenständigen Sound ohne diese Angst und agieren vielmehr mit einer risikofreudigen Zuverlässigkeit.
Dass das folgende Trio aus (der nunmehr reibungslos in den Album-Kontext assimilierten einstigen Standalone-Single) Break the Tension, (dem so hochenergetisch ansteckenden Pit-Schlachtruf-Standard) Trenches sowie Zaytoun (einem astralen Atemholen, bei der die Stimmen Teil der Klangmalerei werden) die schwächste Phase der Platte darstellt, spricht einerseits für die grundlegende Qualität von Pain to Power, und ist andererseits ohnedies alleine schon deswegen relativ zu verstehen, weil die Band hinten raus noch einmal ein Spektakel entfesselt, dass vieles auf ihrem Erstling in den Schatten stellt.
Reconcile wächst aus dem Kosmos kommend zu einem Tauchgang in den Einflussbereich von The Smile, erlösend und flehend, ein Kraftakt von einer Trance. Die zeigt, wo die eigentlichen Leistungslimits der Band liegen – und bei der dann alles dennoch plötzlichso einfach scheinen kann: „The ash falls like snow, nostalgia pulling heartstrings/ A symphony unheard of, the loneliness is howling/ Calling through the wind like a fear forever doubting/ Towers like a burden, emotions slowly clouding/ …/  Change the way we look at things and the things we look at change/ We are love in abundance and our courage can’t be tamed/ Intuition, we are brave, inner visions not afraid/ Expressions take us higher before the love starts to fade/ Music lifts our spirit and love uplifts our souls/ Ancient language healing, so let the music take control/ …/  Have no fear /…/ Pray for love.

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