Mumford & Sons – Wilder Mind

von am 7. Mai 2015 in Album

Mumford & Sons – Wilder Mind

Marcus Mumford und seine Sons haben erkannt, dass die Welt nach ‚Babel‚ keinen zweiten Aufguss des konsumfertig zurechtdesignten Pseudo-Folks von ‚Sigh No More‚ gebraucht hätte. Dass die Engländer nun aber in erstaunlicher Konsequenz jedwedes Banjogeschrammel und Stampfschlagzeug aus ihrem Soundbild verbannen, kann nicht die ultimative Lösung sein: ‚Wilder Mind‚ positioniert sich aller bisherigen Erkennungsmerkmale der Band entledigt konsumfertig zurechtdesignt absolut austauschbar inmitten eines radiotauglichen Konsens-Indierocks.

Vor allem, wenn man den (rund um allgegenwärtige Trittbrettfahrer ala Mighty Oaks, Bear’s Den, Of Monsters and Men und Konsorten) kurz vor dem fatalen Backslash stehenden Hype um die beiden Vorgängerplatten ohnedies nicht nachvollziehen konnte, darf die Radikalkur, der sich Mumford & Sons für ihr Drittwerk unterzogen haben, an sich durchaus als vielversprechende Chance gesehen werden: Das Quartett tut theoretisch den nötigen Schritt, um sich der bisherigen Limitierungen im Sound (Banjos, Akustikgitarren, euphorisch antreibende Bassdrum und ein zurechtgebügeltes Folkflair für die Holzfällerabteilung von H&M) sowie Schema-F Songwriting zu entledigen und manövriert sich damit an sich aus der mit ‚Babel‚ gebauten Sackgasse. Aus dieser wohlwollenden Perspektive ist ‚Wilder Mind‚ dann auch gar nicht unbedingt das per se unbefriedigende Utensil, das Mumford & Sons momentan entlang zahlreicher vernichtender Reviews bei enttäuschten Fanpuristen in Ungnade fallen lässt – sondern vielmehr nur eine Verlagerung der Intentionen und Formelhaftigkeit im Mainstream-Geschäft der Band.

Dass man alle bisherigen Erkennungssmerkmale über Bord geworfen hat, bringt dann aber praktisch doch insofern gravierende Probleme mit sich, weil die zwölf Songs hinter der Trendwende schlichtweg nicht die Substanz haben, aus genau jener Masse hervorzustechen, in der Mumford & Sons plötzlich untergehen. Die Londoner spielen nun mit E-Gitarren, Sessionsdrummer und Synthietexturen (übrigens mit The National-Mann Aaron Dessner an den Keyboards) ausgerüstet nämlich exakt jene Art von unter Hochglanzglätte in den Nachthimmel empor schimmernden, kraftlos unrockbar bleibenden Stadionrock für die Massen, auf den Coldplay, (zumindest phasenweise) die Editors, die Kings of Leon oder Snow Patrol unter der Schirmherrschaft von U2 längst abonniert sind – sie tun es allerdings kaum auf Augenhöhe mit den Big Player-Platzhirschen, bringen in diesem Kontext ihre Melodien und Harmonien niemals zum strahlen, sondern klingen nicht mehr nur belanglos und vorhersehbar, sondern auch zu einem großen Teil austauschbar, generisch und gleichförmig. James Ford hat der Band dazu eine spannungs- und kantenlose „Indie“-Produktion auf den Leib geschneidert, die jedwede Energie zugunsten eines bedingungslosen Willens zum unoriginell-blaugepausten Reißbrett  opfert.

Am Ende steht dabei zwar die durchaus paradoxe Erkenntnis, dass ‚Wilder Mind‚ (wohl je nachdem, wie man die bisherige Karriere der Band wahrgenommen hat) nicht derart an den Nerven zerrt wie ‚Babel‚ oder ‚Sigh No More‚, ohne tatsächliches Ärgernis hervorzurufen sogar eine gewisse Souveränität in überraschungsarmen Kompositionen ausstrahlt, die die Quintessenz der Mumford-Atmosphäre auch mit geänderter Instrumentierung erfassen, allerdings eben kaum nachhaltigen Eindruck hinterlassen: 49 Minuten, die niemandem weh tun wollen sind trotz des (marktwirtschaftlich ohnedies kaum aus dem Fenster gelehnten) Mutes zur Wandlung von vornherein kein künstlerischer Triumph – allerdings in den besten Phasen eine durchaus solide Konsens-Veröffentlichung für eine kommerziell noch attraktivere Laufkundschaft des Formatradios – da mögen die enttäuschten Hipster-Vollbartträger am Lagerfeuer noch so sehr schimpfen.
Eingangs (etwa mit dem spannungsaufbauenden ‚Tompkins Square Park‚ oder dem energischen ‚The Wolf‚, das zeigt, wo Embrace stattfinden könnten) rettet sich die Platte so entlang ihrer frischesten Momente auch vorerst noch durchaus erfolgsversprechend davor unmittelbar zum beiläufigen, gefällig plätschernden Soundtrack für das Erledigen des Haushalts vor heroischen Feuerwerkgedanken abzuflachen, verliert sich aber vor allem ab dem allzu zurückgelehnt auf softem Autopiloten dümpelnden Mittelteil (exklusive des friedfertigen Balladenkleinods ‚Monster‚ als Highlight) doch noch derart beliebig in (melo)dramatisch gemeinten, aber unsagbar kraft- und identitätslos daherkommenden Szenarien von der Melancholie-Stange – die ebenso nett anzuhören, wie schnell vergessen sind, weil sie ohne jedwede prolongierte Wildheit eine episch ausgelegte Langeweile kultivieren.
Den irgendwo logischen Versuch sich verkaufstechnisch in die nächsthöhere Liga zu katapultieren kann man Mumford & Sons letztendlich im Grunde eigentlich kaum übel nehmen, er gelingt so routiniert und blutleer kalkuliert wie es doch bereits ‚Sight No More‚ und ‚Babel‚ hinter ihrer Oberflächlichkeit waren. Dass die beiden bisherigen Alben dabei zumindest enorm polarisierten, spielt da ohnedies kaum eine Rolle mehr – weil sich die Engländer mit einem Schlag in eine unverbindliche Egalität gespielt haben.

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2 Trackbacks

  • The Full Hit of Summer - […] aber austauschbaren Genre-Einerlei, das schlimmstenfalls klingt, wie Mumford & Sons es auf Wilder Mind nicht zustande gebracht haben, bestenfalls…
  • Mumford & Suns - Delta - HeavyPop.at - […] dass es sich für Marcus Mumford und Anhang durchaus ausgezahlt haben hätte könnte, für Wilder Mind vor 3 Jahren…

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